Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1950
Im Jahr 1950 ist das Anlaufen der Wirtschaft deutlich spürbar. Das Warenangebot steigt erheblich und es gibt
erstmals seit dem Krieg wieder genug Lebensmittel. Allerdings verzeichnet die Deutsche Bundesrepublik zwei
Millionen Arbeitslose.
Der Bundestag beschließt im Juni ohne die Stimmen der Sozialdemokraten den Beitritt zum Europarat.
Am 16. Mai wird das Gesetz Nr. 75 der Militärrregierung, das die Umgestaltung des Kohlenbergbaus und der
Eisen- und Stahlindustrie beinhaltet, durch das Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission ersetzt.
Vorher schon, am 01. April, erfolgt die Abschaffung der bestehenden Kohlezwangsbewirtschaftung in der
Bundesrepublik. Diese Maßnahme erscheint im nachhinein verfrüht.
Die Steinkohlenförderung kann den Energiebedarf der aufstrebenden Wirtschaft nicht decken. Es zeichnet sich
eine Energiekrise ab. Bundeskanzler Dr. Adenauer warnt den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten
Hohen Kommission, John McCloy, am 27. November 1950. Falls die deutsche Kohlenzwangsexportquote nicht
drastisch herabgesetzt werde, sehe er für die nahe Zukunft "weitgehende Betriebseinschränkungen und
-stillegungen in der verarbeitenden Industrie sowie eine einschneidende Drosselung der Eisen- und
Stahlerzeugung" voraus. Er sehe sich auch gezwungen, die Fünf- oder Vier-Tage-Woche einzuführen und
zusätzlich eine völlige Arbeitsruhe für die gesamte Industrie in der letzten Dezemberwoche anzuordnen. Die
Internationale Ruhrbehörde kürzt indessen die deutsche Zwangsexportquote nur unwesentlich.
So gehen zum Weihnachtsfest in der Bundesrepublik die Lichter aus. Reklame- und
Schaufensterbeleuchtungen werden abgeschaltet.
Am 23. Dezember weist der Bundeswirtschaftsminister die Länder an, täglich zwischen 6 und 20 Uhr zwei
Sperrstunden für den privaten Verbrauch von Strom und Gas einzuführen.
Mit dem Beginn der 50er Jahre setzt in den Untertagebetrieben des deutschen Steinkohlenbergbaus eine
intensive Mechanisierung der Arbeitsvorgnge ein, die auch in den folgenden Jahrzehnten anhalten wird. Sie
bringt nicht nur Arbeitserleichterung und Verbesserung der betrieblichen Sicherheit für den Bergmann, sondern
auch eine ständig steigende Leistung für die Unternehmen.
Der Bergbau unternimmt verstärkte Anstrengungen, zusätzliche Arbeitskräfte
anzuwerben.
Ende des Jahres erfolgt eine Anhebung der Inlandspreise für Kohle um
durchschnittlich 4,50 DM/t.
Das Jahr steht deutlich im Zeichen des nach der Währungsreform einsetzenden
wirtschaftlichen Aufschwungs. Bei erheblicher Vergrößerung der Belegschaft
erfolgt der Wiederaufbau der Zechen und Werke der Gesellschaft. Da nicht
genügend Kapital zur Verfügung steht und zeitweilig Engpässe bei der
Materialbeschaffung auftreten, müssen viele Vorhaben auf die kommenden
Jahre verschoben werden. Die verwertbare Kohlenförderung der Hibernia aber
steigt auf 8,673 Mio t, die Untertageleistung auf 1,332 tvF/MS.
Die Förderung des Bergwerks General Blumenthal übersteigt im Berichtsjahr
erstmals nach dem Krieg wieder die Millionengrenze. Am 28. Dezember wird
auf der Frühschicht an Schacht 6 der Förderwagen mit der 1-Millionsten Tonne
zu Tage gehoben.
Man beginnt im Januar mit der Auffahrung der 1. östlichen Richtstrecke auf der -700 m -Sohle (später 2. sütliche
Richtstrecke) vom 5. Querschlag aus. Zweck dieses
Grubenraumes ist die Erschlieung der oberhalb der Sohle
anstehenden Gaskohlenpartien der Zollverein-Gruppe sowie der
Fettkohlenvorräte im Niveau der 8. Sohle im Bereich Schacht 3. Die
mit der Auffahrung beauftragte Unternehmerfirma Wisoka setzt die
erste Lademaschine auf der Schachtanlage ein, einen HL 2oo mit
Schwenkzylinder von der Firma Salzgitter Maschinenbau.
Der Schacht 3 erhält eine neue elektrische Fördermaschine.
Die Waschkaue an Schacht 3/4 wird im Hinblick auf steigende
Belegschaft auf dieser Anlage - bedingt durch die zunehmenden Aus-
und Vorrichtungsarbeiten in diesem Bereich- vergrößert.
Anfang Februar 1950 scheidet Bergwerksdirektor Bergass. a.D. Hans Schmitz nach Unstimmigkeiten mit dem
Vorstand der Hibernia AG aus. Er hatte in den letzten Jahren -in einer Zeit, in der Material äußerstknapp war-
durch Beziehungen und Geschick eine Menge der verschiedensten Materialien beschafft und unter Tage lagern
lassen. Da es aber auch an Personal mangelte, kam den Lagern nicht die erforderliche Pflege zu. Die
Gurtbänder verrotteten, Stahl- und Eisenteile fielen dem Rost anheim. Das wurde entdeckt, erregte den
nachhaltigen Unwillen des Vorstandes und führte zur Entlassung des Werkschefs. Ihm wird auch ausgeprägtes
cholerisches Verhalten nachgesagt. So hat er aus einer Streitsituation heraus seinen Wetterfahrsteiger Helmig
fristlos entlassen.
Bergass. a.D. Friedrich Karl Frorath leitet nun die Bergwerke General Blumenthal und Waltrop. Er kommt von
der Zeche Wilhelmine Victoria und steht seit 1927 im Dienst der Bergwerksgesellschaft Hibernia.
Zum gleichen Zeitpunkt erhält General Blumenthal wieder einen Betriebsdirektor. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kegel,
vorher auf Wilhelmine Victoria beschäftigt, wird mit diesem Amt betraut.
Im Berichtsjahr tritt auch Franz Rupieper als Inspektor für die Bergwerke General Blumenthal und Waltrop
seinen Dienst an.
Die Wetterabteilung liegt seit der Entlassung von Fahrsteiger Helmig in den Händen von Fahrsteiger Erich
Schütz, der einige Jahre später von Fahrsteiger Franz Böhmer abgelöst wird.
Dem damaligen Reviersteiger Emil Waschke werden Aufgaben der Wetterführung unter Tage übertragen.
Für die sicherheitlichen Belange ist Fahrsteiger Gustav Dörr zuständig. Er wird in den Folgejahren von
Fahrsteiger Anton Wanke abgelöst.
Die Bautätigkeit nach dem 2. Weltkrieg beginnt in Recklinghausen mit dem Wiederaufbau des zerstörten
Nordviertels.
Die Städtische Kunsthalle im ehemaligen Luftschutzbunker gegenüber dem Hauptbahnhof wird mit der ersten
Kunstausstellung der Ruhrfestspiele eröffnet.