Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1953
Im Jahr 1953 wird der gemeinsame Europäische Markt für Kohle und Stahl ins Leben gerufen.
Der Bergbau befindet sich nun seit dem Ende des 2. Weltkrieges in einer stetigen Aufwärtsentwicklung. Er ist
ein wichtiger Faktor des Wirtschaftswunders der jungen Bundesrepublik Deutschland. Die
Steinkohlenförderung hat die 100-Millionen-Grenze bereits überschritten und der Trend zeigt weiter nach
oben.
Die IG Bergbau fordert kürzere Schichtzeiten und droht am 10. Januar mit Streik. Am 16. Januar einigen sich
Unternehmer und Gewerkschaft, ab dem 01. April 1953 im Ruhrbergbau die Siebeneinhalb-Stundenschicht
unter Tage bei vollem Lohnausgleich einzuführen.
Im Juli übergibt die Deutsche Kohlenbergbauleitung ihre Aufgaben an den neugegründeten
Unternehmensverband Ruhrbergbau.
Viele der unter dem Gesetz 27 von den Alliierten entflochtenen Zechengesellschaften sehen sich nicht in der
Lage, das für die notwendige Expansion erforderliche Kapital selbst aufzubringen. Sie suchen Anschluß an ihre
alten Konzerne oder streben den Verbund mit der Eisen- und Stahlindustrie an. Dieser Prozeß zieht sich im
wesenlichen bis 1957 hin.
Erleichterung bringt das Investitionshilfegesetz, das die Preisbindung lockert, die bis dahin insbesondere den
Kohlenbergbau gehindert hat, kostengerecht zu wirtschaften. Preiserhöhungen müssen nun nicht mehr vom
Wirtschaftsminister genehmigt werden. Allerdings bedeutet dies nicht eine völlige Freigabe des Kohlenpreises.
Diese Kompetenz geht 1953 auf die Hohe Behörde der Montanunion über.
Aus der Bundestagswahl am 06. September gehen die Christdemokraten mit 47,5% der Stimmen als Sieger
hervor. Der Stimmenanteil der Sozialdemokraten liegt bei 36,9%.
Die Bergwerksgesellschaft Hibernia verzeichnet 1953 erstmals eine Kostendeckung in der Kohlengewinnung.
Allerdings ergeben sich auch zum ersten Mal nach dem Kriege Absatzschwierigkeiten durch die Konkurrenz
ausländischer Kohle und verstärkte Einfuhren von Erdöl. Feierschichten können aber noch vermieden werden.
Trotz gedrosselter Produktion müssen größere Mengen Koks auf Halde genommen werden.
Die Beiträge der Gesellschaft an die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Höhe von 3,5 Mio DM
belasten das Jahresergebnis, wie auch eine Ausgleichsumlage für Belgien und Italien, die sich auf 4,1 Mio DM
beziffert.
Die Kriegsschäden an den Werksanlagen sind nun weitgehend behoben.
Die Kohlenförderung der Gesellschaft liegt mit 10,238 Mio tvF nur unwesentlich über der des Vorjahres. Die
Leistung unter Tage fällt - bedingt durch die Schichtzeitverkürzung im Untertagebereich und überdurchnittlicher
Nachholung von Ausrichtungsarbeiten - auf 1,413 tvF/MS. Der Anteil der aus voll- und teilmechanisierten
Betrieben gewonnenen Kohle an der Gesamtförderung beziffert sich nun auf 42%. Dabei ist zu beachten, daß
die derzeitige "Vollmechanisierung" lediglich die mechanisierte Gewinnung und Strebförderung beinhaltet. Es
gibt noch keinen Schreitausbau.
Die Belegschaft auf den Bergwerken der Gesellschaft steigt 1953 um 1.179 auf 45.862 Beschäftigte. Die
Fluktuation bei den angelegten Neubergleuten ist mit 66% unverändert hoch, liegt aber unter dem
Ruhrdurchschnitt.
Da der Nachwuchsbedarf aus den nahegelegenen Bezirken nicht zu decken ist, müssen Jugendliche aus
anderen Bundesländern angeworben werden. Für deren Unterbringung stehen 10 Berglehrlingsheime und 3 im
Berichtsjahr fertiggestellte Berglehrlingsdörfer (Pestalozzidörfer) zur Verfügung. Hibernia wendet in den Jahren
1952/53 für den Wohnungsbau insgesamt 38,4 Mio DM auf.
Das Bergwerk General Blumenthal verzeichnet einen leichten Rückgang bei der Förderung und der
Untertageleistung.
Im Berichtsjahr wird unter Tage die Bergebrechanlage auf der 3. Sohle an Schacht 7 fertiggestellt.
Der weitere Aufschluß der Gaskohlenflöze Zollverein 1 und 3 wird intensiviert. Von April bis Oktober fährt man
auf der 7. Sohle von der 2. Richtstrecke aus den 8. Querschlag nach Süden bis zum Ansatzpunkt des geplanten
Blindschachtes 781 auf.
Im März geht die neue Absaugeanlage für Grubengas auf der Anlage 1/2/6 in Betrieb.
So ganz hat man die Absicht, nicht nur Kohlen, sondern auch Erz abzubauen, doch noch nicht aufgegeben.
Die mittelbare Nähe des Blumenthaler Hauptverwurfs scheint nach wie vor höffig. So treibt man vom
Blindschacht 77 aus im Niveau der 5. Sohle zu Untersuchungszwecken eine Richtstrecke in Richtung des
Blindschachtes 88. Aber es zeigt sich kein Erz. Bei der Auffahrung setzt man erstmals auf dem Bergwerk einen
kleinen Stoßschaufellader auf Schienen ein. Lademaschinen mit dieser Arbeitsweise werden in den
Folgejahren auf anderen Bergwerken (z.B.Möller/Rheinbaben) zu leistungsfähigeren Typen weiterentwickelt. Auf
General Blumenthal entscheidet man sich für andere Techniken.
Am 01. Januar übernimmt der 1. Bauführer Josef Niggemeier die Bauabteilung.
Obersteiger Georg Uebbing wird am 01. Juli zum Betriebsführer unter Tage befördert.
Fahrsteiger Dipl.-Ing. Ernst Weber erhält am 06. August seine Beförderung zum Obersteiger. Ihm wurde bereits
Mitte Mai die Leitung der Grubenwehr übertragen, nachdem Fahrsteiger Bernhard Schroer dieses Amt wegen
Erreichen der Altersgrenze nicht mehr wahrnehmen konnte.
Die Westfälische Volkssternwarte im Recklinghäuser Stadtgarten wird eröffnet.