Zu Anfang des Berichtsjahres führen konjunkturell bedingte Absatzschwierigkeiten zur Einführung von
Feierschichten. Das hat es auf den Zechen des Ruhrrevieres seit 22 Jahren nicht mehr gegeben.
Etwa 18.000 Bergleute sind im Dortmunder und Bochumer Raum betroffen. Insgesamt werden auf den
Revierzechen etwa 500.000 Feierschichten verfahren, im Durchschnitt 1,3 Schichten pro Belegschaftsmitglied.
Bis Mitte 1954 wachsen die Haldenbestände bei den Zechen auf über 5 Mio Tonnen an.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal liegen die letzten Feierschichten schon 46 Jahre zurück. Man schrieb
das Jahr 1908. Auch jetzt müssen in den Monaten März und April lediglich drei Feierschichten eingelegt
werden.
Am Jahresende entspannt sich die Lage und die Feierschichten gehen zurück, nachdem die deutsche Eisen-
und Stahlindustrie ihre Flaute überwunden hat. Auf dem Kohlenmarkt hat sich die vertraute Mangellage wieder
eingestellt.
Die Gewerkschaften fordern die 5-Tage-Woche.
Am 06. Oktober 1954 wird die "Bergwerksgesellschaft Hibernia Aktiengesellschaft" in Herne wegen
Angliederung der "Emscher-Lippe Bergbau-Aktiengesellschaft" in Datteln unter Beibehaltung des
Firmennamens neu gegründet. Die am 05.Oktober aus der "Gewerkschaft Emscher-Lippe" hervorgegangene
"Emscher-Lippe Bergbau-Aktiengesellschaft" behält einen eigenen Vorstand und bringt ein Aktienkapital von
30 Mio DM ein. Das bis zum 06. Oktober unter dem Firmennamen geführte Unternehmen
"Bergwerksgesellschaft Hibernia Aktiengesellschaft" wird aufgelöst und trägt bis zur Beendigung der
Liquidation ab diesem Zeitpunkt den Firmennamen "Herner Bergwerks-Aktiengesellschaft" in Herne.
Die Kohleförderung der Hibernia erreicht mit 10,612 Mio tvF einen neuen Höchststand. Auch die
Stromerzeugung steigt. Die Koks- und Kohlenpreise werden am 01. April durch die "Hohe Behörde der
Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl" neu festgesetzt. Die Vergünstigungen für Hausbrand,
Schiffahrt und Bundesbahn fallen weg. Die meisten Kohlenund Kokssorten werden billiger.
Die Hibernia investiert im Berichtsjahr 82,9 Mio DM und weist einen Jahresgewinn von 15 Mio DM aus.
Die Schichtlöhner über und unter Tage erhalten 5% mehr Lohn.
Die Hauptverwaltung der Hibernia teilt der Gewerkschaft Auguste Victoria mit Schreiben vom 23. Januar mit,
daß sie mit dem Abbau in Flöz Ida im Grubenfeld "An der Haard" bis zu dem im Flöz Karl aufgeschlossenen 60
m-Verwurf einverstanden ist.
Herr Bergwerksdirektor Bergass. a.D. Karl Friedrich Frorath, Leiter der Hibernia-Bergwerke General
Blumenthal und Waltrop, kann am 02. Mai seinen 65.Geburtstag feiern.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal wird in der Zeit von Januar bis November der Schacht 7 von der 5.
Sohle bis zur 7. Sohle (-700m) um 161,13 m weitergeteuft. Die Gründe liegen -auch im Hinblick auf den
Aufschluß der nördlich des Schachtes 7 anstehenden Kohlenvorräte (man rechnet mit etwa 7 Mio tvF oberhalb
der 7.Sohle)- insbesondere im wettertechnischen Bereich, aber auch im rationelleren Materialtransport und der
wesentlich verbesserten Personenbeförderung.
Die zügig verlaufenden Abteufarbeiten übernimmt die Firma Gewerkschaft Wisoka. Der Schacht ist bereits
Ende Juni förderfertig. Nur Nebenarbeiten stehen noch an.
In der 4. westlichen Abteilung, dem späteren 3. Querschlag, steht die Zeche vor der Aufgabe, im Hauptfeld die
oberhalb der -700m-Sohle anstehenden Bauhöhen der Flöze Karl 1 und Ida an die Hauptfördersohle, der 7.
Sohle, durch den Blindschacht 76 anzuschließen. Das ursprüngliche Vorhaben, den Blindschacht mit einem
etwa 100 m langen Aufbruch hochzubringen wird vom Oberbergamt Dortmund unter Hinweis auf eine am
25.02.1954 ergangene Verfügung abgelehnt.
Dort heißt es, daß bei
Neuzulassung von Aufbrüchen
ein strengerer Maßstab
angelegt werden müsse und
daß es nicht angehe, die
Zulassung von Aufbrüchen
immer wieder mit Zeitmangel
zu begründen. Auch der
Vorschlag, den Blindschacht
nach Herstellung eines
Vorbohrloches hochzubrechen,
wird abgelehnt. Ein Abteufen
vom Niveau des Flözes Karl 1
zur 7. Sohle mit Abförderung
der Berge über den
Ortsquerschlag Karl 1 zum
Blindschacht 75 ist nicht
möglich, da dieser Weg durch die Bergezufuhr zu den Flözen Karl 1 und Karl 2 auf allen Schichten belegt ist. So
bleibt nur das Abteufen nach vorheriger Herstellung eines Großbohrloches, durch das die Teufberge zur 7.
Sohle abgefördert werden können. Das aber hat es im europäischen Steinkohlenbergbau noch nicht gegeben.
Erstmalig wird eine Großlochbohrung mit Rollenmeißel hochgebracht. Eine erste Zielbohrung mit einem Meißel
von 143 mm Durchmesser und Gestänge von 95 mm Durchmesser, das von einer Bohrmaschine des Typs P
VI/12 der Firma Turmag angetrieben wird, läuft aus der Schachtscheibe heraus. Die zweite Zielbohrung kommt
innerhalb der Schachtscheibe an.
Dann wird oben ein Rollenmeißel von 270 mm Durchmesseraufgesetzt und das Bohrloch nach unten
erweitert.
Über die Erweiterungsstufen 406/610/813 mm erreicht das
Bohrloch seinen Enddurchmesser. Die verwendeten
Rollenmeißel hat die Firma Söding und Halbach
entwickelt.
Die hervorragende bohrtechnische Leistung ist vor allem
dem Können des Bohrmeisters Willi Kostyrok zu
verdanken. Sein damaliger "Zweiter Mann", der Hauer
Manfred Tober, sollte später in den 60er- und 70er- Jahren
an der Weiterentwicklung der Großlochbohrtechnik auf
General Blumenthal maßgeblichen Anteil haben.
Von dieser Zeit an wird auf dem Bergwerk unter der
Leitung von Dipl.-Ing. Heinrich Wunsch mit dem Aufbau
einer eigenständigen Bohrabteilung begonnen.
Die Weiterentwicklung der Großlochbohrtechnik auf
General Blumenthal ermöglicht es, daß in der Folgezeit
nicht nur seigere, also senkrechte Bohrlöcher mit Längen
bis um 300 m zum technischen Stand gehören, sondern
daß auch Seilkanäle von Blindschächten im
Schrägbohrverfahren zielgenau hergestellt werden können.
In der Zeit von Juni bis November wird - in etwa zeitgleich
mit der Großlochbohrung - der Blindschachtumtrieb weiter
aufgefahren.
Im Bereich Schacht 2 steht unterhalb der 2. Sohle das Flöz Zollverein 1 zum Verhieb an. Da das über 2 m
mächtige Flöz in zwei Streben nach Osten und Westen verhauen werden soll und man mit einer Tagesförderung
von etwa 1.200 tvF aus beiden Streben rechnet, kommt einer ausreichenden Versorgung mit Blasbergen hohe
Bedeutung zu. Die konventionelle Lösung: Einhängen der Berge an Schacht 2 und Transport über
Wagenförderung zur Kreiselkippe und Bandförderung zur Blasmaschine erweist sich als sehr aufwendig.
So entschließt man sich für den Einbau einer 402 m langen Bergefalleitung im Schacht 2 vom Tage bis zur 2.
Sohle und der Bergezufuhr zur Blasmaschine über ein Stahlgliederband und anschließenden Gurtförderer.
Neben den geringen Betriebskosten von im Mittel 932 DM je Tag liegen die Vorteile in der Entlastung der
Gestellförderung in Schacht 2 und im Wegfall der Wagenförderung für die Bergeversorgung auf der 2.Sohle.
Über Tage werden die Blasberge aus Talbotwagen in einen 40 m3 fassenden Bunker gekippt und über ein
Kastenband und einen Gurtförderer in die Falleitung aufgegeben. Am Austrag der Falleitung unter Tage
gelangen die Berge über die Pralltasse und einer Schrägrutsche in einen Bunker und von da auf das
Stahlgliederband. Die von der Firma Esser GmbH in Warstein gelieferte Falleitung besteht aus 4 Strängen von
je 100 m Länge. Die Flanschenrohre sind oberflächengehärtet und haben eine Wandstärke von 10 mm.
Jeder Strang ist in einem Kugellager drehbar einzeln auf einer Konsole
gelagert und mit Seilen gesichert. Ursprünglich hatten die Stufen nach unten zunehmend unterschiedliche
Durchmesser:
– 1.Stufe 225mm Wandspruch aus der alten Wasser- haltung auf der 5.Sohle, Schacht 2
– 2.Stufe 250mm
– 3.Stufe 275mm
– 4.Stufe 300 mm.
Diese Maßnahme - ihr lag die Befürchtung zu Grunde, daß
sich das Versatzgut nach unten hin staut - erweist sich als
nicht erforderlich. So werden beim verschleißbedingten
Auswechseln der Rohre in der Folgezeit nach unten hin nur
noch Fallrohre mit einem Innendurchmesser von 250 mm
eingebaut.
Im Frühjahr 1954 nimmt man den Aufschluß des Feldes B II
nördlich des Schachtes 7 in Angriff. Hier stehen die
Fettkohlenflöze Johann, Dickebank, Wasserfall und
Sonnenschein zum Abbau an. Die Flöze sind im Bereich der
7. Sohle steil gelagert. Das Einfallen nimmt jedoch nach oben
hin ab. Es beträgt unterhalb der 3. Sohle nur noch etwa 10
Gon.
Im Zuge der Ausrichtungsarbeiten beginnt die beauftragte
Firma Wisoka mit der Auffahrung der 4. westlichen
Abteilungsquerschläge nach Norden (später 3. Querschläge
n.Norden) auf der 3. und 7. Sohle.
Die Arbeiten auf der 3. Sohle werden durch das
unregelmäßige Einfallen der Mergelunterkante erheblich
behindert.
Auch auf der 7. Sohle läuft nicht alles nach Plan. Starke
Gasbläser und eine diagonal verlaufende Überschiebung im
Bereich des Flözes Finefrau Nebenbank beeinträchtigen die
Auffahrung.
Andererseits durchfährt man im Bereich der Schlägel-und
Eisen-Mulde eine standfeste Sandsteinbank, die es erlaubt, die Strecke ohne Ausbau zu belassen.
Im Berichtsjahr wird im 2. Querschlag der Blindschacht 88 von der 5. zur 7. Sohle fertig geteuft, um die dort steil
gelagert anstehenden Flöze Dickebank, Wasserfall und Sonnenschein zu lösen. Im Gaskohlenbereich teuft man
den Blindschacht 91a im 6. Querschlag vom Mergel der 2. Sohle bis zur 5. Sohle ab. Schließlich beginnt man
im 2. Halbjahr mit dem Abteufen des Blindschachtes 781 im 8. Querschlag von der 5. zur 7. Sohle zur Lösung
der anstehenden unteren Zollverein-Partien. Jahre später entschließt man sich, den Blindschacht noch bis Flöz
B unter dem Mergel hochzubrechen.
In den Monaten April und Mai wird erstmalig ein Blindschacht mit einem Elektrohaspel ausgerüstet. Der
Blindschacht 90, der in der 2. östlichen Richtstrecke die 7. mit der 8. Sohle verbindet, erhält einen 300
kW-Haspel der Firma Köln-Ehrenfelder Maschinenfabrik (KEMA).
Zur Verbesserung der Wetterbedingungen unter Tage werden an Schacht 7 ein zweiter Grubenlüfter, ein
Wetterkanal und ein Ventilatorgebäude in Betrieb genommen.
Ende des Jahres erfolgt die Verlegung der Hauptwasserhaltung zur 7. Sohle in die Nähe des Schachtes 6. Zwei
Pumpen mit einer Leistung von 3 m3 je Minute, angetrieben jeweils durch einen 730 kW-Motor arbeiten nun
abwechselnd auf der Nachtschicht 3 - 4 Stunden je Tag, um das zugeführte Wasser kurzzuhalten. Die
Sammelbecken mit drei elektrischen Pumpen befanden sich seit der französischen Ruhrbesetzung 1923/25 bis
dahin auf der 5. Sohle. Aus der Zeit stammen auch die dort angebrachten Wandsprüche.
Im Tagesbetrieb erfolgt eine umfassende
Erneuerung der Kohlenwäsche, allerdings ohne
Erhöhung der Kapazität. Der
Kokskohlenverladeturm mit einem
Fassungsvermögen von 1.000 t wird repariert.
Am 05. November wird auf Schacht 7 nach
bergbehördlicher Abnahme die Genehmigung zur
Inbetriebnahme der neuen Waschkaue mit
zugehörigen Nebenräumen im Mittelgebäude
erteilt. Nunmehr können 1.100 Mann auf der
Außenschachtanlage anfahren. Nachdem die
Aufstellung des endgültigen Schachtgerüstes und
der Fördermaschine in den letzten Kriegsjahren
unterbleiben mußte, befand sich der Tagesbetrieb
an Schacht 7 in dem alten provisorischen
Gebäude aus der Zeit des Abteufens des
Schachtes. Der bereits Anfang 1946 bei der
"North German Coal Control" gestellte Antrag auf Einrichtung der Seilfahrt und Erweiterung der Tagesanlagen
mit Bau einer Schachthalle wurde damals mit dem Hinweis abgelehnt, daß bei Errichtung der erforderlichen
Seilfahrtsanlage die vorhandenen provisorischen Gebäude weitestgehend zu nutzen seien. Die Waschkaue
wurde daher in den alten Werkstattgebäuden untergebracht. Erst 1952 wird beim Bergamt Recklinghausen 2
wieder Antrag auf Erweiterung der Tagesanlagen - den Bau einer Schwarz-Weiß-Kaue - an Schacht 7 gestellt.
Die Baukosten beziffern sich auf 600.000 DM.
Der Anteil der Gaskohle an der Gesamtförderung aus dem Flöz Zollverein liegt bei 79.016 tvF und somit bei rd.
6% der Gesamtförderung. Im Fettkohlenbereich kommen fast 80% aus den Flözen Karl, Hugo und Gretchen.
Das Bergwerk hat im Berichtsjahr zwei Tote zu beklagen.Die Grubenwehr zählt einschließlich des Oberführers
50 Mann.
Der Bau eines neuen und mit modernen Anlagen ausgerüsteten Gesundheitshauses erweist sich als
erforderlich. Der Bauabteilung der Hauptverwaltung werden daher mit Schreiben vom 06. August vier
Vorschläge für die Ausführung mit der Bitte um Entscheidung zugeleitet.
In der Steigerstraße und in der Schlepperstraße können
die fertiggestellten Wohnhäuser bezogen werden.
Außerdem erfolgt die Fertigstellung von 2 neuen
Lehrlingsheimen, in denen nun 255 Neubergleute und
Knappen bis zur eigenen Wohnung eine behagliche
Unterkunft finden.
Im Berichtsjahr können 6 Belegschaftsmitglieder auf
eine 50jährige ununterbrochene Tätigkeit auf General
Blumenthal zurückblicken.
Am 01. Mai wird unter der Regie von Studienrat
Siegfried Jablonski der Blumenthaler Werkschor gegründet. Etwa 30 Freunde des Gesangs finden sich zur
Pflege des Liedgutes zusammen.
Das Bergwerk hat bis zu diesem Zeitpunkt in der Langen Wanne
eine Lehmziegelei in eigener Regie betrieben. Diese Anlage wird
nun aus wirtschaftlichen Gründen verpachtet.
Am 01. Juli wird Obersteiger Dipl.-Ing. Ernst Weber Technischer
Hilfsarbeiter. Bergwerksdirektor Frorath beauftragt ihn mit dem
Aufbau einer Ingenieursstabsstelle. Er ist so der erste Leiter der
Stabsstelle auf General Blumenthal.
Zum gleichen Zeitpunkt wird Dr.med. Hans-Georg Schaper, der
bis dahin im Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen tätig war,
erster ständiger Werksarzt auf dem Bergwerk General
Blumenthal. Die Aufgaben des Werksarztes hat bisher Dr.med.
Schilk wahrgenommen. Er hatte aber jeweils nur zweimal in der
Woche auf der Anlage 1/2/6 Sprechstunde.
Ausbildungsleiter ist Fahrsteiger Josef Benner.
Dipl.-Ing. Josef Pfitzner, Leiter der Elektroabteilung unter Tage,
wird am 01. November zum Elektro-Obersteiger befördert.
Im Berichtsjahr geht Inspektor Franz Rupieper in den Ruhestand.
Die Stelle des Inspektors bleibt bis zum Jahr 1977 unbesetzt.
Am 31. Dezember verläßt Wirtschaftsingenieur Bergrat a.D. Claus Liebeneiner das Bergwerk und geht zu einer
Zulieferfirma.