Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1956
Im Jahr 1956 wirft die 2 Jahre später eintretende Kohlenkrise ihre ersten Schatten voraus. Unter dem Eindruck
des Energiemangels der vergangenen Jahre sehen es die Politiker als sicher an, daß die Kohle allein den zu
erwartenden stark wachsenden Energiebedarf für das kommende Jahrzehnt nicht decken kann. Eine
Verbreiterung der Energiegrundlage scheint deshalb dringend notwendig. Für Bundeswirtschaftsminister
Erhard liegt es zudem an der "Verkrustung der Kohlenwirtschaft", wenn diese "so erheblich hinter den
Leistungen der anderen Industrie zurückbleibt". Er versteht darunter vor allem "all die Hemmnisse, die einer
Erhöhung der Förderleistungen in Wege stehen", insbesondere die kollektive Organisation der Kohlenwirtschaft
in Produktion und Absatz. Erhard zielt dabei einmal auf den Unternehmensverband Ruhrbergbau, zum anderen
auf die kartellmäßige Organisation des einheitlichen Ruhrkohlenverkaufs. Der Bundeswirtschaftsminister sieht
in dieser Konstellation ein grundsätzliches marktwirtschaftliches Defizit und erklärt bereits 1956, daß "eine
grundsätzliche Lösung des Problems der künftigen Energiebedarfsdeckung durch eine Förderung
wettbewerblicher Kräfte auf dem Energiemarkt" anzustreben sei. Gleichzeitig hebt Erhard den bisherigen
Heizölzoll von 15 DM/t auf, was letztlich langfristig die Option der deutschen Energiepolitik für das Erdöl
bedeutet. Weiterhin verlängert die Bundesregierung die Laufzeit für Kohleimportverträge von bisher 18
Monaten auf 3 Jahre.
Die Auswirkungen zeigen sich nicht sofort. Bei einem Listenpreis von 52 bis 55 DM je Tonne Kohle hat das
importierte Heizöl, das zwischen 170 und 178 DM kostet, vorläufig noch wenig Aussicht auf steigende
Marktanteile, auch wenn dessen Heizwert um 50% über dem der Kohle liegt. Aber die Raffineriekapazitäten
werden verstärkt ausgebaut, auch die der "Zebras", der Zechengesellschaften mit Erdölinteressen.
Die Absicht des Ruhrbergbaus, den gemeinschaftlichen Verkauf weiter zu organisieren, stößt bei der
Montanunion unter Hinweis auf das bestehende Kartellverbot auf entschlossenen Widerstand. Nach zähen
Verhandlungen genehmigt die Hohe Behörde 1956 schließlich die Einrichtung von drei rechtlich unabhängigen
Steinkohlen- Verkaufsgesellschaften, die den Zechen des Ruhrreviers so zugeordnet sind, daß ein Ausgleich
der Arten und Sorten zustande kommt. Eine begrenzte Zusammenarbeit der drei Gesellschaften "Geitling",
"Präsident" und "Mausegatt" soll ein gemeinschaftliches Büro ermöglichen. Daneben entsteht für den Verkauf
von Ruhrkohle außerhalb des Gemeinsamen Marktes im Berichtsjahr die "Ruhrkohlen-Exportgesellschaft mbH".
Die Regelung ist auf den 31. März 1959 befristet. Allerdings sieht es die Hohe Behörde als nicht rechtens an,
allein dem billigsten Kohlenmarkt innerhalb der Montanunion die Höchstpreise vorzuschreiben und so gibt sie
am 01. April 1956 den Ruhrkohlenpreis frei, der im laufenden Jahr um 2 DM/t steigt.
Die bis dahin möglichen Sonderabschreibungen im Bergbau nach dem Investitionshilfegesetz von 1951
entfallen. Dafür erlaubt ein neues Gesetz dem Steinkohlenbergbau Sonderabschreibungen in Höhe von 30 bis
50% innerhalb von vier Jahren für alle Bergtechnik, für neue Bergwerke, für Anschlußzechen und
Zechenverbund.
Der Arbeitskräftemangel im Bergbau hält indessen weiter an. Die bestehende Sogwirkung der allgemeinen
Konjunktur, insbesondere der benachbarten Schwerindustrie im Revier machen dem Bergbau Mühe, vor allem
die Stärke seiner Untertagebelegschaft zu halten.
In der Zeit von 1945 bis 1954 wurden etwa 800.000 Arbeitskräfte im Bergbau neu eingestellt und ausgebildet.
Davon blieben auf Dauer nur knapp 200.000. Um dieser hohen Fluktuationsrate entgegenzuwirken und dem
Bergmann wieder gewisse Privilegien zu verleihen, verabschiedet der Bundestag im Oktober 1956 das Gesetz
über die Bergmannsprämie. Die Gedingearbeiter und Angestellten unter Tage erhalten eine Prämie von 2,50
DM, Schichtarbeiter unter Tage von 1,25 DM je Schicht. Die dafür benötigten Mittel werden aus dem
Steueraufkommen des Bergbaus bezahlt, gehen also zu Lasten des Fiskus. Zum gleichen Zeitpunkt werden
monatlich 2 bezahlte arbeitsfreie Ruhetage eingeführt, wobei gesetzliche Wochenfeiertage noch angerechnet
werden.
Im Berichtsjahr sind 156 Bergwerke in Betrieb. Etwa 408.000 Bergleute fördern 115 Mio tvF Kohle.
Der Bergarbeiterwohnungsbau wird verstärkt weitergeführt, gestützt auf eine Verbraucherabgabe von 2 DM/tvF
Steinkohle.
Bergass. a.D. Karl Heinz Hawner wird am 19.10 1956 stellvertretendes Mitglied im Vorstand der Hibernia. Dr.
Emil Stein scheidet mit Ablauf des Jahres aus dem Vorstand der Gesellschaft aus.
Das Bergwerk General Blumenthal bringt 136.318 tvF Kohle mehr zu Tage als im Vorjahr, obwohl bei 301
Arbeitstagen ein Fördertag weniger zur Verfügung steht. Die Zeche nimmt den 2. Platz unter den 12 Anlagen
der Hibernia ein.
Der Anteil der Gaskohle aus Flöz Zollverein 1 steigt mit 227.361 tvF auf 15,11%. Die geförderten 1.277.119 tvF
Fettkohle (84,89%) kommen vor allem aus den flachgelagerten Flözen Karl, Hugo 1 und Gretchen sowie aus
den steilgelagerten Flözen Sonnenschein sowie Wasserfall und Dickebank.
Die steilgelagerten Abbaubetriebe in den Flözen Karl 1 sowie Ida, Wilhelm, Dickebank, Wasserfall und
Sonnenschein fördern ungestört und steuern 330.626 tvF Kohle zur Förderung bei.
Ein wilder Streik Anfang Januar in Revier 8 (Flöz Zollverein 1) bewirkt einen Förderausfall von etwa 600 tvF
Kohle. Der größte Teil der Belegschaft des Abbaubetriebes legt die Arbeit nieder.
Ursache sind Gedingestreitigkeiten zwischen der Betriebsleitung und der Belegschaft. Während erstere ein
Gedinge von 1,20 DM/geförderten Kohlenwagen in Aussicht stellt, fordern die Bergleute einen Satz von 2,50
DM/Wagen. Sie beziehen sich dabei auf ein angeblich vereinbartes Gruppengedinge. Trotz des Angebotes,
anzufahren und die weitere Klärung der Angelegenheit einer Gedingekommission zu überlassen, lehnen 30
Mann die Arbeitsaufnahme ab und gehen nach Abgabe der Marken nach Hause.
Erneut wird der Einsatz eines Hobels in der flachen Lagerung überlegt. Man ist der Ansicht, daß sich dafür der
Abbau in Flöz Gretchen, Hauptabteilung nach Westen, am Blindschacht 92 anbietet.
Es werden zwei Möglichkeiten in Erwägung gezogen:
– Umbau des vorhandenen Löbbe-Hobels und
– Beschaffung einer neuen Anbauanlage der Firma Westfalia Lünen.
Eine Berechnung der Hauptabteilung Technik der Hauptverwaltung ergibt, daß der Kauf einer neuen
Anbauhobelanlage, die den derzeitigen Stand der Technik bietet, nur mit geringen Mehrkosten verbunden wäre.
So entscheidet man sich aufgrund der eigenen und der auf anderen Schachtanlagen gemachten Erfahrungen
für die Beschaffung eines Anbauhobels bei der Firma Westfalia Lünen. Die Kosten des mechanischen Teils
der 260 m langen Anlage betragen 230.000,- DM. Der Liefertermin wird auf Mitte April 1957 festgesetzt.
Zur Herabsetzung der Brandgefahr unter Tage beginnt man im Berichtsjahr, bei hydraulisch arbeitenden
Betriebsmitteln das bisher als Medium verwendete Mineralöl gegen schwerentflammbare Hydraulikflüssigkeiten
auszutauschen.
Die Bergwerksdirektion General Blumenthal gestattet der Bergbau AG König Ludwig den Abbau der Flöze Q,
P1, P2, O und K1 im Bereich Schacht 3 von der -422 m-Sohle bis zum etwa 50 m höher liegenden Ort 2.
An neu aufgefahrenen Aus-und Vorrichtungsstrecken gibt der Bergmännische Zahlenbericht für das Berichtsjahr
2.116 m an. Bei einer Gesamtlänge des Gesteinsstreckennetzes von nun 36.849 m entfallen so auf 1.000 t
verwertbare Förderung rd.24,5 m Stecke.
Verstärkt kommen in der Aus- und Vorrichtung Lademaschinen -fast ausschließlich von der Firma Salzgitter
Maschinenbau Gesellschaft in Salzgitter- zum Einsatz. Allein im Berichtsjahr werden 647,8 m Gesteinsstrecken
mit Lademaschinen aufgefahren.
Der Blindschacht 581 (5.Sohle,8.Querschlag,Flöz Zollverein 1) wird abgeteuft.
Man beginnt mit den Abteufarbeiten des Blindschachtes 731 (7. Sohle, 3. Querschlag, Flöz Katharina) unter
Abförderung der Teufberge über ein vorher erstelltes Großbohrloch von 813 mm Durchmesser und führt das
Abteufen des Blindschachtes 781 (7. Sohle, 8. Querschlag, Flöze Zollverein 1 und B) weiter.
Der Blindschacht 66 (5. Sohle, 3. Querschlag, Flöz Hugo 2) wird abgeworfen.
Im April des Jahres erfolgt die Herstellung des Großbohrloches am Blindschacht 88 in der 5. westlichen
Abteilung (später 5. Richtstrecke). Das Bohrloch verbindet die 3. mit der 7. Sohle. Es hat einen Durchmesser
von 813 mm und dient der Wetterführung.
Im Blindschacht 781 plant man die Einrichtung einer Gefäßförderung (Skip). Im Oktober finden erste
Besprechungen mit der Firma Skip Companie, Essen, statt. Zu einer Auftragserteilung kommt es im
Berichtsjahr jedoch nicht. Den Auftrag erhält später die Firma Wedag.
Im April übernimmt die Unternehmerfirma Wisoka die weitere Auffahrung des 5. Querschlages auf der 7. Sohle
von Flöz Sonnenschein aus nach Norden.
Die Auffahrung der 4. Richtstrecke n.O. auf der 7. Sohle läuft über das gesamte Jahr weiter. Besondere
Schwierigkeiten bereitet die Durchörterung der Hülser Störung.
Nach einer Betriebszeit von 9 - 10 Monaten nimmt man im April und Mai Verschleißmessungen an der 3. und 4.
Stufe der Bergefalleitung im Schacht 2 vor. Knapp 180.000 t Berge sind seit August 1955 durchgesetzt
worden. Die von der Herstellerfirma Esser-Werke durchgeführten Messungen zeigen,daß
– der Verschleiß wie vermutet von oben nach unten zunimmt,
– die Rohre durch regelmäßiges Drehen um die Längsachse gleichmäßig abgenutzt sind,
– die Verschleißwerte sich an der unteren Grenze des Zugelassenen bewegen.
Die Markscheiderei führt im gleichen Zeitraum mit dem Ziel einer besseren Übersicht eine neue Numerierung
für aufzufahrende Blindschächte ein, aus denen Sohle, Querschlag und Reihenfolge der Auffahrung
hervorgehen. So bedeutet z.B. die Bezeichnung Bl. 731 Blindschacht bis zur 7. Sohle im 3. Querschlag,
Reihenfolge 1.
Im August wird die Kompressoranlage für Hochdrucklokomotiven an Schacht 3/4 stillgelegt. Die zu diesem
Zeitpunkt noch im Grubenbetrieb vorhandenen 16 Lokomotiven dieser Betriebsart werden verschrottet und
durch Elektrolokomotiven ersetzt.
Im Untertagebetrieb ereignen sich 3 tödliche Unfälle.
Im Zuge der Erhöhung der Sicherheit im Grubenbetrieb
erfolgt im Mai des Jahres die allgemeine Einführung der
Selbstschutzgeräte.
Im Februar übergibt Bergwerksdirektor Bergass. a.D.
Frorath das neue Gesundheitshaus seiner Bestimmung
und legt die Leitung in die Hände von Dr.med. Hans-Georg
Schaper. Der Grubenbetrieb des Bergwerks wird Kulisse
für einen Film. Bereits im 2.Weltkrieg wollte der Regisseur
Wolfgang Liebeneiner (ein Bruder des 1954 abgekehrten
Wirtschaftsingenieurs auf General Blumenthal, Bergrat
a.D. Claus Liebeneiner) für die "Tobis"-Filmgesellschaft das Ruhrgebiet mit seinem Lebensrhythmus zum
Thema eines Films machen.
Auch der Filmschauspieler Luis Trenker hegte solche Absichten. Schließlich beabsichtigte der italienische
Regisseur Cuzzio Malaparte, im Ruhrgebiet zu drehen. Allein sein "Nasses Feuer" - so der Name des Films -
erlosch vorzeitig.
Anfang 1956 entschließt sich die "Olympia" Filmproduktion München/Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem
Unternehmensverband Ruhrbergbau zur Produktion eines Films mit dem Titel "Ruhrgebiet - eine Werkstatt für
Europa" . Für Untertageaufnahmen wählt man auch das Bergwerk General Blumenthal aus. In der Drehzeit vom
02. bis zum 16 . Mai stellt man in einer Szenenfolge die Rettung von zwei Hauern dar, die in einem
Streckenbruch von der Außenwelt abgeschnitten sind. Die Rettungsszene mit der Dahlbusch-Bombe wird auf
der 7. Sohle am Bohrloch hinter dem Blindschacht 88 gedreht. Kürzere Passagen werden in der steilen
Lagerung (Flöz Dickebank) und an zwei Ladestellen aufgenommen. Der Film - sein endgültiger Titel ist "Feuer
an der Ruhr - Werkstatt für Europa" - wird nach seiner Vertonung in deutsch, englisch und französisch am 23.
Oktober 1956 im Rohschnitt in Düsseldorf vorgeführt.
Im Juli besuchen 50 spanische Bergingenieure mit 2 Professoren aus Madrid die Bundesrepublik Deutschland.
Ein Teil der Exkursionsteilnehmer kommt zur Zeche General Blumenthal und fährt auf Schacht 7 an. Ihr
Hauptinteresse gilt der Mechanisierung in der Gewinnung.
Zur gleichen Zeit eröffnet der Leiter der kulturellen Betreuung der Hibernia, Dr. Röhrdanz, auf der
Schachtanlage 1/2/6 unter dem Motto "Freizeit mit der Kamera" eine Fotoschau mit Bildern, die der Fotokreis
der Hibernia aus seinen Arbeiten zur Verfügung stellt.
Wechsel in der Direktion. Bergwerksdirektor Bergass. a.D. Friedrich Karl
Frorath, geht am 31. März in den Ruhestand.
Die Leitung des Bergwerks liegt nun in den Händen des bisherigen
Betriebsdirektors Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kegel.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist der neue Bergwerksdirektor nur noch
für das Bergwerk General Blumenthal zuständig.
Waltrop wird diesem
Zeitpunkt eigenständige
Bergwerksdirektion.
Die Position des
Betriebsdirektors hat nun seit
dem 01. April Dipl.-Ing. Ernst Weber, der auch Leiter der
Stabsstelle bleibt.
In diesem Jahr wird in Recklinghausen das Ikonenmuseum in
der alten Turmschule gegenüber St. Peter eröffnet. Es
beherbergt die einzige Sammlung dieser Art in Westeuropa.