Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1957
Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
erweitert.
Der Kohlenbergbau scheint am Beginn einer langen Expansionsphase zu stehen. Massive Investitionen und
umfangreiche Maßnahmen zur Rationalisierung zeigen das Vertrauen der Bergwerksgesellschaften in
langfristige stabile Gewinnerwartungen.
Bis 1957 sind nun 50 neue Tagesschächte geteuft und 37 Zechen zu 14 Zentralschachtanlagen
zusammengefaßt worden. Zwei neue Großförderanlagen sind auf "grüner Wiese" entstanden.
Während 1950 noch 44% der Ruhrförderung von Zechen mit einer Jahresförderung von mehr als einer Million
Tonnen kam, sind es im Jahr 1957 schon 63%. Die Tagesförderung je Bergwerk ist im gleichen Zeitraum von
2.050 tvF auf 3.500 tvF im Mittel gestiegen. Der Ruhrkohlenbergbau sieht sich im ersten Halbjahr auf der Höhe
seiner Entwicklung. Die Hochkonjunktur in der gesamten Wirtschaft drängt auch die Zechen an die Grenzen
ihrer Leistungsfähigkeit. Die Halden sind geräumt. Kokskohle ist noch immer knapp. Der Steinkohlenbergbau
sieht nach dem Fall der Höchstpreisregelung endlich die Möglichkeit, marktgerechte Preise zu erzielen.
Der Staat trägt dazu bei, den Bergbau zu einem gleichwertigen Teilnehmer am Wirtschaftswunder der
Bundesrepublik zu machen. Die Bergbauwirtschaft erhält Abschreibungsmöglichkeiten bis zu 75% für
Untertageanlagen und kommt so in den Genuß von erheblichen Steuervorteilen.
Im zweiten Halbjahr schwächen sich die Marktspannungen infolge steigender Einfuhren von Kohle -
überwiegend aus den USA - spürbar ab. Die früher bei knappem Angebot abgeschlossenen langfristigen
Einfuhr-Lieferverträge begünstigen das Vordringen der Exportkohle auf den deutschen Markt, der nun
zunehmend zum Käufermarkt wird. Erstmalig sieht man die Notwendigkeit, zur Sicherung der einheimischen
Wirtschaft langfristige Lieferverträge zwischen Kohleproduzenten und -verbrauchern abzuschließen. Trotz
Warnung des Bundeswirtschaftsministers Prof. Erhard wird im Oktober der Ruhrkohlepreis auf rd.65 DM je
Tonne erhöht.
Insbesondere aber zeichnet sich nun die heraufziehende mächtige Konkurrenz des Erdöls, des Erdgases und
der Kernenergie ab.
Die Bergwerksgesellschaft Hibernia zieht aus dieser Konstellation bereits in den Jahren 1956/57
Konsequenzen. Durch den Bau von Großanlagen soll die Konkurrenzfähigkeit erhalten werden. Drei Objekte
werden ausgebaut, als Verbundanlagen geplant und vorbereitet:
– Westerholt als Zusammenfassung der fördernden Anlagen Bergmannsglück und Westerholt
– Shamrock als Zusammenfassung der fördernden Anlagen Shamrock 1/2 und 3/4
– General Blumenthal zur besseren Ausnutzung des B-Feldes und zum Aufschluß der C- und E-Felder
unter der Stadt Recklinghausen und unter Speckhorn bis zum Südwestrand der Haard.
Die Hibernia fördert im Berichtsjahr 10,8 Mio t Kohle und liegt damit um 1,8% unter dem Wert des Vorjahres.
Die Gründe sind einmal in der seit Oktober 1956 verkürzten Arbeitszeit zu suchen, aber auch in verstärkt
erbrachten Aus- und Vorrichtungsarbeiten sowie in einer bundesweit im Herbst grasierenden
Grippeepidemie.
Die Ertragslage der Gesellschaft ist noch immer unbefriedigend. Die Grubenbetriebe insbesondere müssen
infolge der Auswirkungen neuer Sozialgesetze und tariflicher Vereinbarungen beträchtliche Verluste tragen.
Arbeitskräfte werden indessen noch immer gesucht. Im Oktober liegen dem Landesarbeitsamt
Nordrhein-Westfalen Bedarfsmeldungen für 5.616 Untertagearbeiter und 5.821 Berglehrlinge vor. Es sind
rd.8.200 Ausländer beschäftigt, 1.6% der angelegten Bergarbeiter.
Die Knappschaftsversicherung verbessert ihre Leistungen um 422 Millionen DM. Davon trägt der
Bundeshaushalt 250 Millionen DM. Die Last des Bundes steigt insgesamt auf 720 Millionen DM.
Bergass. a.D. Karl Heinz Hawner wird am 01. April ordentliches Mitglied des Vorstandes der
Bergwerksgesellschaft Hibernia.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal läuft Ende April der Abbauhammerbetrieb in Flöz Karl 2 (Blücher) nach
Westen unterhalb der 7. Sohle im 5. Querschlag aus. In der zuletzt über 650 m langen, vom Gebirgsdruck stark
im Querschnitt reduzierten Kopfstrecke mußten die Berge über 4 Bänder der in Strebnähe stehenden
Blasmaschine zugeführt werden. Dem folgt ein Streb im gleichen Flöz, der unterhalb des 5. Querschlages
schwebend verhauen wird.
In Flöz Gretchen startet im Sommer der erste Hobelstreb auf dem Bergwerk General Blumenthal. Das
mechanische Gewinnungsgerät ist ein sog. Anbauhobel, angebaut an den Strebförderer und geliefert von der
Gewerkschaft Eisenhütte Westfalia in Lünen. Erste Versuche mit einem Kohlenhobel des Systems Löbbe hatte
es im gleichen Flöz bereits im Jahr 1951 gegeben. Damals mußte der Betrieb wegen einer geologischen
Störung eingestellt werden (s.a.Chronik 1951).
Anfang Januar erfolgt an Schacht 7 auf der 3. Sohle im 3.
Querschlag nach Norden der Ansatz der 6. Richtstrecke
nach Osten zum Aufschluß der Flöze Dickebank,
Wasserfall und Sonnenschein im Bereich des 5.
Querschlages.
Im Herbst ist der Blindschacht 731, der in der 3.
Querschlagsachse von Niveau Flöz Katharina zur 7. Sohle
führt, fertig. Über den in Stahlringen ausgebauten
Grubenraum erfolgt nun die Abförderung der Kohle aus
den Abbauen in Flöz Katharina zur Hauptfördersohle über
eine Kohlenwendel. Der großzügig angelegte Blindschacht
ist für Seilfahrt und Materialtransport vorgerichtet und dient
auch der Wetterführung.
Am 01. Januar scheidet Maschinenfahrsteiger Bernhard Pennekamp aus Gesundheitsgründen aus dem
Untertagebetrieb aus und übernimmt die Leitung des Maschinenbetriebes über Tage.
Der 1. Maschinensteiger Walter Pothmann wird nach seiner Beförderung zum Maschinen-Fahrsteiger Leiter
der Maschinenabteilung unter Tage.
In den ersten Monaten des Jahres tritt Ass.d.Bergf. Werner
Liersch seinen Dienst auf dem Bergwerk an. Er kommt vom
Eschweiler Bergwerksverein und leitet die Stabsstelle bis
zum 30. November. Dann wechselt er zur Anlage Shamrock
3/4 in Wanne-Eickel.
Am 01. Dezember wird Bergrat a.D. Karl-Heinrich Budde
Leiter der Stabsstelle. Er war vorher stellvertretender Leiter
des Bergamts Recklinghausen 2 und wird in seinem neuen
Tätigkeitsbereich mit dem Weiteraufbau der Stabsstelle
betraut. Eine seiner ersten Aufgaben ist die Erstellung einer
Planung für das Teufen des Außenschachtes 8 nach einem
vorliegenden Grundkonzept von Markscheider Erich Riedel.
Die im Saatbruch erstellte Vestlandhalle wird eingeweiht.
Das erste Hallenbad der Stadt Recklinghausen an der Herner Straße geht in Betrieb.