Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1961
Mit dem allmählichen Abklingen der Hochkonjunktur in der Bundesrepublik verschärft sich der Konkurrenzkampf
auf dem Energiemarkt. Die hohe Zuwachsrate im Primärenergieverbrauch im Vorjahr sinkt auf 2,1%.
Eine europäische Lösung der Probleme zur Wiederherstellung des Gleichgewichts auf dem Energiemarkt der
Montanunion ist vorerst an den unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten gescheitert. Die zur
Entscheidung drängenden energiepolitischen Fragen stellen sich nun wieder der nationalen Wirtschaftspolitik.
Noch immer existieren keine abgeschlossenen Vorstellungen über die künftige Gestaltung des
Ruhrkohlenverkaufs. Am 13. Dezember lehnt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine "Kleine
Revision" der Kartellbestimmungen des Montanvertrages ab.
Anfang des Jahres 1961 erscheint die Energie-Enquête, eine bereits 1959 vom Bundestag in Auftrag
gegebene Untersuchung der Produktions- und Absatzbedingungen des gesamten deutschen
Steinkohlenbergbaus. Das Ergebnis zeigt, daß die Kohlenkrise auch bei einer Stabilisierung der Förderung auf
rd.140 Mio t nicht bewältigt ist, sondern noch stärkere Auswirkungen bringen wird. Auch der
Unternehmensverband Ruhrbergbau sieht große Schwierigkeiten in den Kohlerevieren für die nahe Zukunft und
sagt ernsthafte Diskussionen auf wirtschaftspolitischem und sozialpolitischem Gebiet voraus.
Der Steinkohlenbergbau kann im Berichtsjahr seine Förderung von 142,7 Mio t nicht voll absetzen und muß
500.000 t Kohle zusätzlich auf Halde nehmen. Die Haldenbestände beziffern sich nun auf 11,7 Mio t (ohne
Auslagerungen der Notgemeinschaft).
Die Abnehmer indessen bemühen sich, ihren spezifischen Energieverbrauch mit dem technischen Fortschritt zu
senken. Auch die Stahlindustrie als Hauptabnehmer der Ruhrkohle ist dabei. Die alte Meßzahl "Für eine Tonne
Stahl eine Tonne Koks" gilt nicht mehr. Moderne Hüttenbetriebe brauchen nur noch 0,7 t Koks, um eine Tonne
Stahl zu erschmelzen.
Zwar ist der Druck der Importkohle gewichen. Die Einfuhren bleiben mit 7,3 Mio t gleich. Das Erdöl aber ist
weiter zügig auf dem Vormarsch. Die Rohölimporte steigen um 6,4 Mio t auf nunmehr 29,7 Mio t. Dazu kommt
noch die Einfuhr von 8,7 Mio t an vielen Mineralölprodukten.
Weitere Zechenstillegungen haben auch Folgen für die Politik. Man lastet der Bundesregierung an, dem Erdöl
langfristig den Vorzug vor der heimischen Steinkohle zu geben und sieht die Existenz der Region bedroht.
Bei den Wahlen zum vierten deutschen Bundestag am 17. September muß die regierende CDU/CSU hohe
Verluste hinnehmen. Sie ist im neuen Parlament mit 28 Sitzen weniger vertreten und verliert die absolute
Mehrheit. Im Ruhrgebiet können die Sozialdemokraten die 1957 an die CDU verlorenen Wahlkreise Moers,
Duisburg, Mülheim sowie Essen I/II, Bochum, Herne, Castrop-Rauxel und Recklinghausen-Stadt
zurückgewinnen.
Am 06. Juni wird in der Bundesrepublik zum zweiten Mal eine Volkszählung durchgeführt. Nordrhein-Westfalen
zeigt sich als das bevölkerungsreichste Bundesland.
Die Schachtanlagen der Bergwerksgesellschaft Hibernia AG fördern im Berichtsjahr 10,2 Mio t Steinkohlen.
Der Anteil der aus vollmechanisierten Streben gewonnenen Kohlen erhöht sich auf 44,7%. Die Schichtleistung
unter Tage steigt auf 2,228 tvF/MS. Die Selbstkosten der Betriebe können bei rückläufiger Zahl der
Beschäftigten so trotz Belastungen durch Lohnerhöhung und Materialpreissteigerungen in etwa gehalten
werden. Die Ertragslage aber
verschlechtert sich wesentlich.
Aus den Grubenfeldern Shamrock 1/2 und Shamrock 3/4 wird seit Mai 1961 die gesamte Förderung im neuen
Zentralschacht Shamrock 3/4 in Wanne-Eickel zu Tage gebracht. Gleichzeitig werden dort die neuen
Übertageanlagen in Betrieb genommen.
Der Wetterschacht 8 der Anlage Schlägel und Eisen nimmt den Betrieb auf und wird an das 35 kV-Netz
angeschlossen.
Das Bergwerk General Blumenthal verzeichnet weiter sinkende Förderzahlen. Der Anteil der Fettkohle ist mit
82,3% nahezu unverändert. Die geförderte Kohle kommt aus 13 Revieren, die aber nicht alle das ganze Jahr
über gelaufen sind. Allein die Streben der Flöze Karl, Hugo und Katharina liefern über 900.000 t Kohle.
Ab Februar wird der Streb in Flöz B gestundet. In Flöz Zollverein 3 läuft ein Abbaubetrieb nur im März. Der
Streb in Flöz Johann fördert in den drei ersten Monaten des Jahres und von September bis Dezember. Die
Streben in den steil gelagerten Flözen Ida, Wilhelm, Dickebank, Wasserfall, Sonnenschein und Karl laufen ohne
Unterbrechung über das ganze Jahr.
Erstmals prüft man die Möglichkeiten eines Verbundes mit benachbarten Bergwerken mit dem Ziel, eine
optimale Anlage mit einer Förderkapazität von etwa 10.000 tvF/d zu schaffen.
Am 17. August setzt das Bergamt Recklinghausen 2 die Pachtfeldgrenze zwischen den Bergwerken General
Blumenthal und Schlägel und Eisen neu fest.
Um künftig Unstimmigkeiten über unzureichend gefüllte Förderwagen zu vermeiden, wird ab dem 01. Januar
der spezifische Wageninhalt der einzelnen Abbaureviere ermittelt.
Zu Anfang des Jahres nimmt die bereits 1958 fertiggestellte Skipanlage am Blindschacht 781 den Betrieb auf.
Sie dient der Versorgung der Flöze B und Zollverein 1 mit Blasbergen.
Am Blindschacht 88a wird im Niveau der 5. Sohle erstmals auf dem Bergwerk eine Bandfolgeschaltung
installiert.
Sämtliche Fahrdrahtlokomotiven im Grubenbetrieb erhalten im Verlauf des Jahres Funkanlagen. Anfängliche
Störungen im Funknetz kann man bald auf ein für Untertageverhältnisse normales Maß zurückführen.
An Schacht 7 wird auf der 3. Sohle ein Sprengstoffraum fertiggestellt. Auch können die im Vorjahr begonnenen
Arbeiten zur Erstellung eines Sprengstoffraumes an Schacht 3 auf der 7. Sohle zum Abschluß gebracht werden.
Die bergbehördliche Abnahme erfolgt am 27. Dezember.
Im Januar wird die Auffahrung des 9. Querschlages nach Norden auf der 7. Sohle für 1 Jahr gestundet. Im
August wird auch der 9. Querschlag nach Süden im gleichen Niveau gestundet, nachdem die Auffahrung das
Flöz Dickebank erreicht hat. Später soll der Durchschlag zur 2. Richtstrecke erfolgen. Damit kann dann in der
Hauptstreckenförderung der Kreisverkehr für das Ostfeld realisiert werden.
Die Auffahrung der 4. Richtstrecke auf der 4. Sohle an Schacht 3 erreicht im April die Achse des 9.
Querschlages und findet hier ihren Abschluß. Man setzt sofort den 9. Querschlag nach Norden an und stundet
die Auffahrung im Oktober nach Durchfahren des Flözes Plaßhofsbank.
Auf der 4. Sohle wird im Sommer auch der 9. Querschlag nach Süden angesetzt und bis Flöz Dickebank
gefahren.
Auf der 7. Sohle beginnt man im August vom 3. Querschlag aus mit der Auffahrung der 7. Richtstrecke, die die
Verbindung zum 5. Querschlag herstellen und so der Hauptstreckenförderung den Kreisverkehr im nördliche
Grubenteil des Bergwerks ermöglichen soll.
Die 1960 begonnene Auffahrung des 5. Querschlages nach Norden vom Fußpunkt des Dickebank-Berges aus
an Schacht 7 erreicht im April das Flöz Röttgersbank und wird gestundet.
Die Abteufarbeiten im Blindschacht 733 sind Ende Februar abgeschlossen. Nach dem Einbringen der
Einbauten beginnt man im Sommer mit der Montage einer Skipanlage der Firma Hasenclever.
Der Blindschacht 332 auf der 3. Sohle im 3. Querschlag wird bis Flöz Sonnenschein tiefer geteuft. Er dient
künftig der Seilfahrt und der Materialförderung für die Abbaubetriebe in Flöz Dickebank.
Im Berichtsjahr beginnt man auch mit dem Weiterteufen des Blindschachtes 82 (später Bl. 952) im 5.
Querschlag vom Niveau des Flözes Dickebank bis zur 9. Sohle. Beabsichtigt ist damit die Erschließung der
Flöze im Niveau der 9. Sohle und eine aufsteigende Wetterführung bei späterem Abbau.
Die Firma Westfalia Lünen liefert im Sommer die erste Reißhakenhobel-Anlage an das Bergwerk. Der Einsatz
erfolgt in der zum Verhieb anstehenden Bauhöhe des Flözes Karl 2 am Blindschacht 76. Ein fester Packen am
Liegenden des Flözes mit angebrannter Kohle liegt der Entscheidung für den Reißhakenhobel zu Grunde.
In der steilen Lagerung wird in Flöz Ida im Bereich Schacht 7 die erste Rammanlage auf General Blumenthal -
geliefert von der Firma Westfalia Lünen - in Betrieb genommen. Die Gewinnung erfolgt am überkippten
Kohlenstoß mit Fließversatz. Das neue Gewinnungsmittel wird zunächst noch mit Druckluft angetrieben.
Die planmäßige Absaugung von Grubengas wird weiter erfolgreich betrieben und erwirtschaftet,- insbesondere
durch den Verkauf an das Bergwerk Schlägel und Eisen (Kesselhaus und Kraftwerk)-, einen Reingewinn von
254.813 DM.
Über Tage erfolgt auf der Schachtanlage 3/4 der Umbau der Lampenstube auf Selbstbedienung. An Schacht 7
wird die Fahrradhalle erweitert.
Das Jahr 1961 geht leider wieder als ein sehr unfallträchtiges Jahr in die Chronik des Bergwerks ein. In
Ausübung ihrer Tätigkeit finden unter Tage 5 Angehörige der Belegschaft den Tod. Unter ihnen auch der
Steiger Heinrich Kipp, der in Flöz Zollverein 3 ums Leben kommt.
Im Sommer unternimmt der 2. Vorsitzende der IG Bergbau und Energie und stellvertretende
Aufsichtsratvorsitzende Fritz Dahlmann eine Grubenfahrt auf General Blumenthal. Er wird begleitet von
Arbeitsdirektor Bernhard Jung, dem Vorstandsmitglied Dr. Walter Scheithauer, dem Betriebsdirektor des
Bergwerks, Dipl.-Ing. Ernst Weber und von 2 Herren des Betriebsrates.
Anläßlich des 1-jährigen Bestehens des Jugenddorfwerkes auf dem Bergwerk General Blumenthal findet vom
01. - 04. Juni eine Austellung statt, die zeigt, wie die zur Zeit 170 Bewohner der Heime ihre Freizeit gestalten.
Bergwerksdirektor Kegel kann eine Reihe prominenter Gäste begrüßen, darunter auch Oberstadtdirektor
Dr.Michaelis und Superintendent Plumpe.
Unter dem Motto "Jugend im Bergbau" haben Schulabgänger in der Zeit vom 20. bis 25. November
Gelegenheit, auf dem Gelände des Bergwerks General Blumenthal die unterschiedlichen Möglichkeiten für eine
Berufsausbildung im Bergbau kennenzulernen. In seiner Eröffnungsansprache betont Bergwerksdirektor Kegel,
daß hier objektive Möglichkeiten angeboten werden und es nicht darum gehe,junge Menschen mit
Versprechungen für den Beruf des Bergmanns zu gewinnen. Am Rundgang durch die Ausstellung nehmen auch
Oberschulrat Dr. Gausmann und mehrere Leiter Recklinghäuser Schulen teil.
Durch den Mangel an außerhalb beheimateten Bergleuten, besonders auch an Jugendlichen, sind in den
Heimen des Jugenddorfes Recklinghausen viele Plätze frei. Das Jugenddorfwerk führt deshalb in Verbindung
mit der Carl-Duisberg-Gesellschaft in Köln deutsche Sprachkurse für ausländische Praktikanten und Studenten
durch. So nehmen in den Monaten September bis November mehrere Gruppen von ägyptischen Studenten an
diesen Kursen teil.
Am 01. Januar kommt Ass.d.Bergfachs Helmut Porbeck nach seiner Tätigkeit als Fahrsteiger unter Tage als
Planungsingenieur zur Stabsstelle. Er nimmt dieses Amt nur für ein Jahr wahr und geht am 31. Dezember als
Geschäftsführer zur deutschen Filiale der schwedischen Firma Atlas Copco nach Essen-Kupferdreh.
Dipl.-Ing. Dietrich Zimmermann erhält mit seiner Abteilung zu Jahresanfang zu den Aufgaben der
Arbeitsablaufstudien und der Arbeitsplatzbewertung zusätzlich das Sachgebiet Gedingewesen.
Im Sommer verläßt Betriebsführer Dipl.-Ing. Suitbert Schulte das Bergwerk General Blumenthal und tritt der
Geschäftsleitung der Firma Salzgitter Maschinen AG in Essen als Leiter der Abteilung Verkauf bei.
Ass.d.Bergfachs Hermann Steffe nimmt ab Juli die Aufgaben des Sicherheitsingenieurs innerhalb der
Stabsstelle wahr.
Am 10. August wird Obersteiger Franz Monieta in den Ruhestand versetzt. Der altgediente Bergmann leitete
lange die steilgelagerten Betriebe an Schacht 7 und war in der letzten Zeit in der Stabsstelle tätig.
Nach genau 40-jähriger Dienstzeit auf dem
Bergwerk General Blumenthal geht am 31. Oktober
Grubenbetriebsführer Georg Uebbing in den
Ruhestand. Er nahm am 01. November 1921 hier
die Arbeit als technischer Aufseher auf. Fast hätte er
seine Pensionierung nicht erlebt. Zu Anfang des
Jahres geriet er bei der Bandfahrt zwischen einen
Kohlenbrocken und dem Hangenden. Die Frage von
Bergwerksdirektor Kegel, wie so etwas möglich sei,
beantwortete er mit der Gegenfrage: "Wie ist es
möglich, daß Gußeisen aufs Dach kommt?". Trotz
starker Atembeschwerden wollte er nicht ins
Krankenhaus und kurierte sich zu Hause. Wer seiner
Zeitgenossen sieht ihn nicht vor der Morgenschicht
in der Steigerstube neben seinen Obersteigern
Bernhard Schroer und früher auch "Fritzken" Möller sitzen. Einzeln rief er seine Steiger heran und ließ sich über
deren Betriebe berichten. Wenn er dann begann, mit seiner rechten Hand am linken Ohrläppchen zu ziehen,
bedeutete das Gefahr. Kam dann auch noch der Satz: "Ich komm nachher dahin", dann hatte der Steiger mit
Sicherheit keine ruhige Schicht zu erwarten und fuhr so bald wie möglich an.
Auch Grubenbetriebsführer Heinrich Strieter wechselt mit Ablauf des Monats Oktober ins Privatleben. So
manch einer seiner damaligen Mitarbeiter erinnert sich noch an seinen Gruß, wenn er ihn unter Tage auf seiner
Befahrung traf: "Glückauf! Wo kommt er her, wo geht er hin?".
Dr.-Ing. Ulrich Klinge erhält am 01. November seine Beförderung zum Betriebsführer.
Zum selben Zeitpunkt werden die Fahrsteiger Alfred Saternus und Michael Sebastian zu Obersteigern
ernannt.
Alfred Saternus, der auch Oberführer der Grubenwehr ist, übernimmt die Oberaufsicht an Schacht 7. Michael
Sebastian wird nun offiziell Nachfolger des 1958 verstorbenen Obersteigers der Aus- und Vorrichtung, Friedrich
Möller. Er hat dessen Aufgaben bereits seit Obersteiger Möllers Tod wahrgenommen.
Walter Kastner übernimmt den Vorsitz im Betriebsrat von Heinrich Moll.
In diesem Jahr und in den Folgejahren bis 1965 erfolgen auch Zechenstillegungen im Stadtgebiet. Mit "General
Blumenthal" und der "Märkischen Steinkohlengewerkschaft" verbleiben noch zwei Kohle fördernde Bergwerke
in Recklinghausen.