Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1973
Die negative Entwicklung auf dem Absatzmarkt für die deutsche Steinkohle setzt sich zu Jahresanfang in
besorgniserregendem Maße fort. Mitte Februar werten die Amerikaner den Dollar um 10% ab. Bei der DM
dagegen erfolgt eine Aufwertung um 3%. Damit hat sich die Wettbewerbslage des deutschen
Steinkohlenbergbaus seit Gründung der Ruhrkohle AG im Jahr 1969 allein durch Währungsveränderungen um
insgesamt 40% verschlechtert. Ende September liegen rd. 21 Mio t Kohle und Koks auf Halde.
Da erfolgt im Herbst eine Tendenzwende auf dem Energiemarkt. Als direkte Folge des 4. Nahostkrieges
drosseln die wichtigsten erdölproduzierenden Länder ihre Förderung und erhöhen den Preis für das Rohöl
drastisch. Bezogen auf die Steinkohleneinheit steigt der Preis für schweres Heizöl von rd. 53 DM/t auf etwa 138
DM/t. Der RAG-Preis für Industriekohle aber bewegt sich um 100 DM/t. Die Steinkohle ist wieder
wettbewerbsfähig. Bis zum Jahresende können die Haldenvorräte um 4 Mio t abgebaut werden.
Die Entwicklung zeigt den Industrieländern schlagartig die Gefahren einer hohen Abhängigkeit vom Importöl
aus politisch weitgehend unsicheren Ländern auf. Gleichzeitig aber sieht man in aller Deutlichkeit den Wert der
deutschen Steinkohle als wichtigste heimische Energiequelle. Ein von der Bundesregierung am 23. November
verhängter Anwerbestopp für Arbeitnehmer außerhalb des EG-Raumes soll die Arbeitsplätze der deutschen
Arbeiter sichern.
Die Ölkrise führt im November zum Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung.
Ab dem 25. November besteht bundesweit ein Sonntagsfahrverbot für Kraftfahrzeuge. Auf den Autobahnen
tummeln sich vielerorts Spaziergänger, Rollschuhläufer und Radfahrer.
Bei der Ruhrkohle AG werden zum 31. Dezember die 6 verbleibenden Gesellschaften in die Bereiche West
(BAG Niederrhein und BAG Oberhausen), Mitte (BAG Gelsenkirchen und BAG Herne/Recklinghausen) und Ost
(BAG Dortmund und BAG Westfalen) neu gegliedert.
Die Bergwerke Prosper II und Prosper III/IV schließen sich zur Werksdirektion Prosper zusammen.Des weiteren
erfolgt der Zusammenschluß der Bergwerke Zollverein und Holland sowie Friedrich der Große und Mont
Cenis.
Auf dem Bergwerk Sachsen in Heessen läuft am 14. Februar der erste Streb der Gesellschaft mit Schildausbau
an.
Am 30. März wird das Bergwerk Vereinigte Pörtingsiepen/Karl Funke in Essen stillgelegt, am 31.März folgen
die Kokerei Hannover in Bochum und die Brikettfabrik Alstaden in Oberhausen. Am 30. Juni stellen das
Bergwerk und die Brikettfabrik Mevissen in Duisburg sowie die Kokerei Emil in Essen die Produktion ein. Das
Bergwerk Victor Ickern bringt am 30. September die letzten Kohlen zu Tage.Das Bergwerk Emil Fritz in Essen
und die Kokerei Graf Bismarck schließen am 15. Dezember.
Die Ruhrkohle AG betreibt nun noch 38 Bergwerke, die 74,2 Mio tvF Kohle fördern.Die Bilanz weist einen
Verlust von 10 Mio DM aus.
Mit Ablauf ihrer Bestellung scheiden am 27. November die Herren Dr.jur. Hans-Helmut Kuhnke (Vorsitzender),
Karl Heinz Hawner und Ernst Schmidt nach fünfjähriger Tätigkeit aus dem Vorstand der Gesellschaft aus. Der
Aufsichtsrat bestellt mit Wirkung vom 28. November Dr. Ing.Dr.rer.pol. Karlheinz Bund zum Vorsitzenden des
Vorstandes.
Das Bergwerk General Blumenthal begeht am 24. April seinen 100. Geburtstag. An diesem Tag erfolgte 1873
die Verleihung des Einzelfeldes General Blumenthal I durch das Oberbergamt in Verbindung mit der
Standesherrlichen Genehmigung durch den Regalherrn, den Herzog von Arenberg.Das Jubiläum wird lediglich
mit einer Belegschaftsversammlung begangen. Auf dem Nordfriedhof erfolgt eine Kranzniederlegung am
Ehrenmal. Weitergehende Feierlichkeiten verbietet die angespannte Finanzlage, was der Vorstand auch
eindeutig zum Ausdruck bringt.
Es ist insgesamt ein sehr gutes Jahr für das Bergwerk. Eine geringe Zahl von Strebumzügen läßt erstmals die
verwertbare Förderung je Arbeitstag über die 10.000-t-Grenze klettern. Strebleistung und täglicher
Abbaufortschritt steigen. Das Betriebsergebnis indessen liegt - wenn auch nur geringfügig - im Minusbereich,
bedingt vor allem durch die Entwicklung der Lohn- und Materialkosten.
Hervorragende Ergebnisse bringt der mit modernster Technik ausgerüstete Streb in der mittleren südlichen
Bauhöhe nach Osten in Flöz Karl 1 in der 9. Querschlagsachse oberhalb der 7. Sohle.
Bei einem Hochleistungsversuch erreicht man nach 24 Stunden
Betriebszeit eine verwertbare Förderung von über 7.700 t und
nach weiteren 15 Betriebsstunden schließlich insgesamt 11.100
t.
Damit können die bisher besten Ergebnisse von Walzen- oder
Hobelbetrieben unter ähnlichen Bedingungen im deutschen
Steinkohlenbergbau deutlich übertroffen werden.
Der Streb läuft im Berichtsjahr aus. Mit der mittleren nördlichen
Bauhöhe nach Osten nimmt der Nachbarstreb die Förderung
auf. Erstmals kommen hier im November beim Strebausbau 30
Schild- und 4 Schildbockeinheiten der Firma Becorit zum
Probeeinsatz. In den Gewinnungbetrieben beginnt man mit der Umstellung von 6- auf
4-Stempel-Wanderpfeiler.
Eine spürbare Rückführung der Staubentwicklung im Streb bringt die Einführung der Hobelgassenbedüsung im
flachgelagerten Streb in Flöz Röttgersbank. Eine durch Magnetventile gesteuerte Aufgabe von Wasser jeweils
im Bereich des laufenden Hobels schlägt den Staub dort nieder, wo er entsteht. Die guten Ergebnisse führen in
den Folgejahren zur Anwendung des Systems in allen Hobelstreben.
Im September erfolgt die Umstellung der Förderung aus den Anschlußbauhöhen der Flöze Röttgersbank und
Wilhelm im 5. Querschlag unterhalb der 7. Sohle und der Aus- und Vorrichtung Flöz Dickebank zum
Hauptförderberg 9 .-7. Sohle. Dazu wird ein 950 m langer Gurtförderer im 5. Querschlag auf der 9. Sohle als
Sammelband verlegt.
Die Planung der Großbandanlage im Ostfeld für die Übernahme der Förderung vom Bergwerk Ewald
Fortsetzung geht in Auftrag.
Für den Anschluß des E-Feldes werden zusammen mit dem Bergwerk Ewald Fortsetzung die Lage und
Auslegung der Anschlußbauwerke weiter ausgearbeitet.
In der Zeit vom Mai bis August erfolgt auf General Blumenthal unter der Regie einer Arbeitsgemeinschaft
mehrerer Bergbauspezialgesellschaften erstmals der versuchsweise Einsatz einer Streckenvortriebsmaschine
mit Ausleger, die auch Gestein mitschneidet. Die Firma Demag in Duisburg ist der Hersteller.
Die mit Schreitwerk und einem Bogendach
ausgerüstete Maschine vom Typ VS 2 ES soll
im unverritzten Feldesteil die nördliche
Strecke nach Osten in Flöz Karl 1 oberhalb
der 7. Sohle im Bereich des Schachtes 8
auffahren.
Das Schneiden selbst bringt keine
Schwierigkeiten. Da aber vor und über der
Maschine eine Strecke von etwa 8 m Länge
durch Schreitwerk und Maschinendach nicht
ausreichend gesichert ist und das Gebirge in
diesem Bereich durch den "Trampeleffekt"
beim Schreiten sowie durch
Maschinenschwingungen stark beansprucht
wird, treten in großem Maße Firstausbrüche auf. Dazu kommen noch konstruktive Mängel an der Maschine
selbst. Der Versuch wird so nach 278,4 m Auffahrung abgebrochen.
Ausgezeichnete Ergebnisse dagegen bringt ab Mitte Oktober der Ersteinsatz eines zecheneigenen
Bohrwagens auf General Blumenthal. Die Firma Atlas Copco in Essen hat ihn geliefert. Er steht in der
Bandstrecke der 2. Bauhöhe nach Westen oberhalb der 9. Sohle in Flöz Röttgersbank. Auf einem
Raupen-Unterwagen sind 2 Bohrarme, bestückt mit je einem schweren Bohrhammer Cop 125 montiert.
Die Bohrzeit wird mit diesem Gerät von 4 1/2 auf 1 1/2 Stunden reduziert. Das führt zur sofortigen Beschaffung
eines zweiten Bohrwagens. Unternehmer haben schon vorher Strecken auf dem Bergwerk mit Bohrwagen
aufgefahren.
Bei der Weiterführung des Vorhabens
"Gewinnungsbohrversuche in steil gelagerten Kohlenflözen"
zeigt die von der RWTH Aachen verbesserte Bohrkrone gutes
Arbeitsverhalten. Die künftige Fertigung der
Gewinnungswerkzeuge übernimmt nun die Firma Turmag in
Sprockhövel. Durchgeführte CH4- Tests ergeben, daß die
gesuchte Übergangszone, in der gefährliche explosible
Gemische auftreten können, unabhängig von der Bohrlochtiefe
im Bereich zwischen 3 und 10 m vom Bohrlochaustrag liegt.
Anfang März sind die Konstruktionsunterlagen für die gesamte
Maschine fertig. Die Firmen Hausherr u.Söhne und Turmag in
Sprockhövel erhalten nun den Auftrag zum Bau der neuen
Gewinnungsbohranlage.
Im Zuge eines weiteren Forschungsvorhabens wird der Umbau
einer Hauptstreckenlokomotive vom Typ HA 2 a auf
elektro-hydraulischen Antrieb in Angriff genommen. Beteiligt
sind die maschinentechnische Abteilung der Westfälischen
Berggewerkschaftskasse sowie die Firmen Gew.Düsterloh in
Sprockhövel und AEG in Essen. Man sieht die Vorteile einer so
ausgerüsteten Lokomotive in der stufenlosen Regelbarkeit, dem Ersatz des Fahrschalters durch die Hydraulik
und einer leicht möglichen Automatisierung und damit möglichen Verwendung vorhandener Lokomotiven im
Automatikbetrieb in der Hauptstreckenförderung.
Die weitere Automatisierung der
Hauptstreckenförderung sieht in der ersten Baustufe die
Einbeziehung des restlichen Teils der
Verbindungsstrecke, der 2. Richtstrecke bis zum 5.
Querschlag und des 3. Querschlages bis zur Ladestelle
vor.
Auch die neue Zugleitstelle in der Nähe des Knotens
Ost ist Gegenstand der anlaufenden Planung.
An Schacht 4 wird der Bau des neuen Fördergerüstes
und des Maschinenhauses abgeschlossen. Die
installierte Kübelfahranlage und die schwebende
Arbeitsbühne sind betriebsfertig.
Am 31. Dezember wechselt der 1. Bauführer Josef König in das Privatleben. Sein Nachfolger wird der 1.
Bauführer Alfred Markötter jun., der ab 01. Januar 1974 die Leitung der Bauabteilung übernimmt.