Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1982
Am 01. Oktober geht die Zeit der sozialliberalen Koalition in Bonn zu Ende. Die CDU/CSU übernimmt wieder
die Regierung.
Die in der Folge des zweiten Ölpreissprungs 1979/80 eingetretene Rezession der Weltwirtschaft verstärkt sich.
Der Energieverbrauch sinkt bei gleichzeitig wachsendem Angebot weltweit weiter.
In der Bundesrepublik Deutschland prägt sich die Umstrukturierung der Energieversorgung immer deutlicher
aus. Auf dem Wärmemarkt trägt vor allem das Erdgas zum Ersatz des Erdöls bei. Bei der Stromerzeugung sind
es insbesondere die Kernenergie und die Steinkohle. Die Erdölpreise geben nach.
Der deutsche Steinkohlenbergbau wird Mitte des Jahres von der stark reduzierten Nachfrage der Stahlindustrie
voll erfaßt.Mit 35,9 Mio t verzeichnet die eisenschaffende Industrie die niedrigste Produktion seit 1966. Um fast
8% sinkt der Absatz an Kohle und Koks auf knapp 80 Mio t SKE. Förderdrosselnde Maßnahmen sind die
Folge. Es gibt wieder Feierschichten.
In einer "Kohlerunde" am 03. Dezember beim Bundesminister für Wirtschaft bekräftigt die Bundesregierung
ihre Absicht, die in der Dritten Fortschreibung des Energieprogramms festgelegte Energiepolitik fortzusetzen.
Nun soll der für 1985 vereinbarte Rückkauf der nationalen Kohlereserve auf 1988 verschoben und der Schutz
der deutschen Kohle auf dem Wärmemarkt über das Jahr 1983 hinaus fortgesetzt werden. Weitere Zusagen
beinhalten eine zufriedenstellende Regelung der Kokskohlenbeihilfe für 1983 und eine Aufstockung der
Investitionsbeihilfe ab 1984.
Die Ruhrkohle AG fördert in etwa die gleiche Menge wie im Vorjahr, setzt aber wegen des Absatzeinbruchs bei
der Stahlindustrie und im Kraftwerksbereich nur 56,2 Mio t Kohle und Koks ab. Maßnahmen zu
Förderreduzierung greifen wegen gestiegener Produktivität kaum. So liegen am Ende des Jahres ohne
Berücksichtigung der nationalen Kohlenreserve 15,4 Mio t Kohle und Koks auf Halde. Das ist der zweithöchste
Bestand seit 1977.
Zu Jahresanfang werden die Bergwerke Fürst Leopold und Wulfen in Dorsten zusammengeschlossen. Zum
gleichen Zeitpunkt erfolgt der Verbund der Bergwerke Zollverein und Nordstern in Essen. Die hier im
Gegenortbetrieb aufgefahrene Verbindungsstrecke wird am 15. Oktober durchschlägig.
Die Ruhrkohle AG ist nach wie vor der größte industrielle Ausbilder in der Bundesrepublik. Sie bietet derzeit
jedem fünften männlichen Schulabgänger im Ruhrgebiet einen Ausbildungsplatz und beschäftigt Ende 1982
insgesamt 11.734 Nachwuchskräfte.
Am 30. September scheidet Dr. Siegfried Batzel aus dem Vorstand der Ruhrkohle AG aus.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal stehen die Aktivitäten für die Erstellung des Anschlußbergwerks Haltern
ganz im Zeichen der Abteufarbeiten in beiden Schächten.
Im Schacht Haltern 1 fährt man die Füllortstrecken im Niveau der Mergelsohle nach Osten und Westen jeweils
bis auf rd. 150 m Länge auf. Beim anschließenden Weiterteufen wird die 2.Sohle, die Hauptabwettersohle,
erreicht und man stellt bei 989,3 m Teufe die Schachtglocke und den Sohlenanschluß her. Erstmals gibt es
Wasserzufluß im Schacht, der im August zeitweise bis auf 100 l/min zunimmt. Nach dem Auffahren der
Füllortstrecken bis auf etwa 90 m nach beiden Seiten in Anker-Spritzbetonausbau werden Ende September die
Abteufarbeiten bis zum Niveau der 3. Sohle, der späteren Hauptfördersohle, bei 1.097 m Teufe fortgesetzt.
Man beginnt mit dem Aussetzen des Füllortes und der Erstellung der Schachtglocke. Der Ausbau besteht in
diesem Bereich auch hier aus vollverklebten Gebirgsankern in Verbindung mit bewehrtem Spritzbeton. Alle drei
Füllörter des Schachtes Haltern 1 stehen nun in Anker-Spritzbetonausbau.
Der Schacht Haltern 2 wird zunächst im Gefrierteil bis auf 233 m Teufe gebracht. Mitte Juli kann die
Gefrieranlage abgestellt werden. Die Abteufarbeiten laufen von da an im standfesten Deckgebirge. Der
Schacht ist am Jahresende 761 m tief.
Vom Schacht 6 des Bergwerks Auguste Victoria aus ist nun auch der rd. 1.500 m lange 1.Querschlag auf der
Mergelsohle zum Schacht Haltern 1 aufgefahren.
Auf dem Betriebsgelände über Tage übernimmt eine installierte Pumpanlage die Abführung der Fäkalien und
der Grubenwässer. Die Fäkalien werden der Kläranlage Hamm-Bossendorf, die Grubenwässer der Lippe
zugeführt.
Die Stromversorgung der Schächte erfolgt seit Mitte des Jahres über ein neu errichtetes Umspannwerk in
Flaesheim.
Auf dem Schachtplatz beginnt der Bau eines Schalthauses.
Die beim Teufen anfallenden Berge an Schacht Haltern 1 werden weiter der Bergehalde Brassert zugeführt.
Das Haufwerk von Schacht Haltern 2 dient zur Aufhöhung der Kippfläche zwischen der B 51 und der
Zufahrtstraße zum Betriebsgelände.
Auf der 10. Sohle, die in Angleichung an die Sohleneinteilung der Haltern-Schächte in die 3.Sohle umbenannt
wird, fährt die Vollschnittmaschine bis zum 27. Oktober 3.281 m auf. Die gesamte maschinelle Auffahrlänge
beträgt nun 8.233,3 m. An dieser Stelle muß die Weiterführung der Strecke mit der Robbins-Maschine wegen
ungünstiger Gebirgsverhältnisse bei starkem Nachfall aus dem gebrächen Gestein gestundet werden. Die
Schwierigkeiten begannen bereits an Station 7.050 m in einer Überschiebung und führten mit zunehmender
Intensität nach der anschließenden Durchörterung der Flöze Zollverein 7/8, Zollverein 2/3 sowie der Flöze A, B
und C zur Anhebung der Streckensohle und zur Verformung des Ringausbaus.
Die Vollschnittmaschine wird demontiert. Sie soll nun vom 1. Querschlag aus die Richtstrecke zu den
Haltern-Schächten auffahren. Dafür beginnt man mit der Herstellung des Streckenabzweiges und der
Montagekammer.
Im 1. Querschlag sind umfangreiche Sicherungsarbeiten erforderlich. In Bereichen mit starken
Druckerscheinungen werden Gebirgsanker eingebracht. Dabei leistet ein von einer Spezialbühne aus
arbeitendes Ankerbohr- und -setzgerät der Firma Schmidt/Kranz in Zorge, das für diesen Zweck eigens
entwickelt wurde, gute Dienste.
Wegen der großen Entfernung zum Schacht 8 steht im Vorortbereich eine mobile Rettungsstation mit Funk und
Telefon.
Grundsätzliche Entscheidungen fallen bei der Entwicklung des für die 3. Sohle geplanten Großzugsystems. Das
von der BBC vorgelegte Konzept für die 2x300 kW-Verbundlokomotive sieht einen Kostenaufwand von mehr
als 12 Mio DM allein für den Prototyp vor und läßt dabei erkennen,
daß der erforderliche Schlagwetterschutz nicht mit hinreichender
Sicherheit erreichbar sein wird. Die BAG Lippe tritt daher von dem
bestehenden Vertrag zurück. Die Firma DIEMA in Diepholz und die
Recklinghäuser Firma Wilhelm Milles GmbH erhalten daraufhin den
Auftrag für den Bau einer 4x40 kW-Batterielokomotive.
Die Förderwagen mit Drehkupplung sollen nun endgültig auf ein
Fassungsvermögen von 25 m3 ausgelegt werden. Die
Gutehoffnungshütte in Sterkrade wird diese Wagen herstellen.
Die Firma PWH in St. Ingbert wird mit der Entwicklung und dem Bau
der Wagen-Drehkippe zum Umschlag der Kohlen auf das zur
Ladestelle auf der 7. Sohle im 9. Querschlag nach Norden führende
Band betraut.
Für das Bergwerk General Blumenthal bringt das Berichtsjahr Licht
und Schatten. Die betrieblichen Kennzahlen zeigen eine positive
Entwicklung. Auf über 2,6 Mio t steigt die verwertbare Jahresförderung. Die Tagesproduktion klettert wieder
über die 10.000 t-Marke und die Untertageleistung liegt nun bei mehr als 4,5 tvF/MS. Ein positives
Betriebsergebnis rundet das Bild ab.
Bei weiterer Verlagerung des Abbauschwerpunktes in die C-Felder laufen allein in diesem Feldesteil 4 neue
Streben an, davon 3 in Flöz Wasserfall.
Die Kohlengewinnung erfolgt vorwiegend mit Leitplankenhobel. Beim Strebausbau geht man weiter zum
schwingenstabilisierten Bockausbau über. Die zunehmende Gewinnungsteufe macht den Einsatz weiterer
Wetterkühlmaschinen erforderlich.
Aber auch Bedrohliches ist zu vermelden. Am 03.März gegen 20 Uhr entsteht in der Kohlenabfuhrstrecke des
Flözes Karl 1 im Bereich des Blindschachtes 952 durch Selbstentzündung ein Glimmbrand, der sich zu einem
offenen Grubenbrand auszuweiten droht. Sofort wird Grubenwehralarm ausgelöst und der Schacht 3, durch den
die Brandgase ausziehen, für die Seilfahrt gesperrt. Löscharbeiten am Brandherd folgen.
Danach wird das Brandfeld durch Dämme abgeschlossen und die Kohlenabfuhrstrecke des benachbarten
Strebs in Flöz Röttgersbank geflutet.
Bereits in den Morgenstunden des 04. März trifft der Technische Sonderdienst ein. Dessen Aufgaben bestehen
in der weiteren Abdämmung des gefährdeten Bereiches einschließlich der Verfüllung des Schachtes 3 vom
Sumpf bis 15 m oberhalb des Flözes Karl 1 sowie der zur Brandstelle führenden Strecken, insbesondere aber
in der Inertisierung des Brandfeldes. Bis zum Morgen des 23. März werden mehr als 2,1 Mio m3 Stickstoff
eingeleitet. Die endgültigen Abdämmarbeiten ziehen sich bis Ende April hin.
Bei der Auffahrung von Strecken und Bergen in der Vorrichtung geht die Technik neue Wege. Im abfallend
geführten Vortrieb des Flözberges Wasserfall, der im 5. Querschlag die 7. mit der 9. Sohle verbinden soll,
ermöglicht ein von der Firma Salzgitter Maschinen AG konzipierter Bohrwagen mit einer Bauhöhe von nur 1,50
m den gleichzeitigen Einsatz einer Arbeitsbühne vor Ort. Der einarmige Bohrwagen vom Typ BW 32 C1N ist
mit einem 185 kg schweren Bohrhammer bestückt. Die Arbeitsbühne besitzt eine Kappenhubeinrichtung. Als
Lademaschine steht erstmals ein Raupenschublader der Firma SMAG mit Rollkippschaufel zur Verfügung. Die
Konzeption erlaubt nun einen erweiterten Parallelablauf der Arbeitsvorgänge vor Ort. Von Februar bis Juni
werden so im 6-Drittel-Betrieb täglich mehr als 6 m Flözberg aufgefahren und bis zu 25% an Auffahrkosten
eingespart.
In der anschließend in Angriff genommenen Flözstrecke Wasserfall nach Westen steigt die Tagesauffahrung
sogar bis auf 8 m je Tag.
Zur Lösung der Vorräte unterhalb der 7. Sohle ist in der Achse des 5. Querschlages für Seilfahrt, Wetterführung
und Materialtransport ein neuer Blindschacht erforderlich. Dieser Blindschacht 951, für den im Berichtsjahr die
Planung läuft, soll etwa 1.100 m nördlich von Schacht 6 entfernt westlich des 5. Querschlages stehen. Auf der 9.
Sohle beginnt man mit der Herstellung des Umtriebes. Im gleichen Niveau wird vom Fuß des vorgenannten
Flözberges Wasserfall aus ein Ortsquerschlag zum Blindschacht angesetzt.
Bei der automatischen Lokomotivförderung werden ab Februar nach Überarbeitung des Programms auch die
Leerwagenversorgung und die Kohleförderung der Ladestelle im 3. Querschlag auf der 7. Sohle durch den
Rechner gesteuert und überwacht. Weiterhin müssen nur noch Zugbewegungen, deren zeitliche Eingabe nicht
möglich ist (Bergeförderung, Materialtransport o.ä.), vom Stellwerker eingetastet werden. Die Steuerung
übernimmt dann auch der Rechner.
Eine Studie der Westfälischen
Berggewerkschaftskasse in Bochum prüft die
Entwicklung einer Einschienenhängebahn mit 45 kN
Zugkraft. Auf dem Bergwerk General Blumenthal sieht
man von einer Weiterverfolgung des Projekts ab, weil
es sich um ein System handelt, für das die
Betriebsmittel mit Ausnahme der Schienen zum
großen Teil erst entwickelt werden müssen.
Die Betriebsstudienabteilung verwendet im
Berichtsjahr erstmals elektronische
Datenerfassungsgeräte für die Durchführung von
Betriebsstudien unter Tage. Damit entfällt die lästige
Schreibarbeit unter oft schwierigen Bedingungen. Die
Auswertung nimmt noch die EDV in Herne vor. Später sollen die Daten über einen Mikroprozessor direkt einem
Auswertesystem über Tage auf General Blumenthal zugeleitet werden.
Die Wohnungswirtschaft meldet die Fertigstellung von weiteren Neubauwohnungen. So sind im Quellbergviertel
19 Wohneinheiten in der Amrum- und Nordseestraße bezugsfertig. Am Südpark sind es 24 und in der
Gleiwitzer Straße 36 Wohnungen. Ein wesentlicher Teil davon wird von den Beziehern käuflich erworben.
Mechanisierungsingenieur Dipl.-Ing. Manfred Bernauer promoviert am 12. Februar am Institut für Tiefbohrkunde,
Erdöl- und Erdgasgewinnung der TU Clausthal zum Dr.-Ing.
Am 30.Juni geht Betriebsführer Hugo Wagner in den Ruhestand. Seine Aufgaben übernimmt zum 01. Juli
Obersteiger Alfred Folchmann, der zum Betriebsführer befördert wird.
Fahrsteiger Felix Winking erhält am 01. Juli seine Beförderung zum Obersteiger.
Am 01. August tritt Dipl.-Ing. Hein Müllensieffen als Obersteiger seinen Dienst auf General Blumenthal an. Er
kommt von der Abteilung T 1.1 (Betriebsüberwachung) der Hauptverwaltung in Herne.
Zum Jahresende verläßt Obersteiger Dr.-Ing. Friedrich Jakob das Bergwerk.
Am 01. Oktober wird in Recklinghausen mit der Linie vom Hauptbahnhof nach Herne die letzte Straßenbahn
stillgelegt. Die Stadt verkauft die Straßenbahnwagen nach Lille in Frankreich.
Die Bundesbahn stellt auf der Ost-West-Verbindung die Personenbeförderung nach Hamm und Oberhausen
ein.
Die Ruhrfestspiele erhalten ein eigenes Ensemble.