Bergmannsverein General Blumenthal
Brief an Kathrin Hänig
Ihre Kumpel leuchten uns den Weg: der grüne Bergmann schreitet mit der Grubenlampe
voran — und wir hinterher...
Liebe Kathrin Hänig,
die Zechen sind dicht, die Förderrä-er stehen still, die Kohle ist weg,
aber die Kumpel, Ihre Kumpel leuchten uns verlässlich den Weg: 'Der rote Bergmann,
standfest und mit ausge­breiteten Armen, als wollte er uns stop­pen und beschützen;
sein grüner Kollege schreitet mit der Grubenlampe voran — und wir hinterher.
Schon 2016 hatten Sie die Idee für Bergmannsampeln in
Duisburg, doch dann dauerte es zwei Jahre, bis die Kum­pel
von gestern den Verkehr von heute regeln durften, was wohl
zwei Gründe hatte: die leere Stadtkasse und der § 43 der
Straßenverkehrsordnung mit seinen Vorschriften für
Lichtsignalanlagen.
Mittlerweile erinnern uns die Lichtge­stalten in vielen
Ruhrgebietsstädten an die Maloche unter Tage, an mutige
Män­ner auf Sohle 7, an eine Kohlenstaub-Epoche, die unser
Revier geprägt hat, so einzigartig macht; und die Menschen, die
hier leben, auch.
So vieles speicherten Sie in Ihrem gro­ßen Ruhrgebietsherz:
Das pechschwarze Gesicht des Vaters und Elektro-Ingenieurs,
der von seiner Schicht unter Tage kam; die Bergmannsfigur aus
Bronze, die auf ewig ihren Platz auf dem Kaminsims im
Wohnzimmer der Eltern behauptet; die Angst als. Kind, wenn unter dem Haus die Erde
rumorte und Sie das Märchen von Meister Hämmerle beru­higte, der dort unten
ar­beitete; der Besuch im Bergwerk und die lä­chelnden Gesichter der Männer, als Sie
einen ki­loschweren Kohlenbrocken zum Förderkorb schleppten. „Die Erfah­rung dort
unten möch­te ich nicht missen. Vor Kohle war es dunkel, feucht, dreckig; den Lärm der
Maschinen konnte ich kaum ertra­gen." Der schwarze Klotz liegt seitdem neben dem
Fernseher.
Als freie Journalistin sind Sie viel unter­wegs, freuen sich, wenn Sie auf den Fahrten
durchs Ruhrgebiet neue Bergmannsampeln entde­cken, die für Sie Wertschätzung,
Heimatgefühl und Identifikation mit dem Revier ausstrahlen. Sie könnten sich noch
weitere Standorte vorstel­len, zum Beispiel vor dem Bochumer Bergbaumuseum und in
ehemaligen Bergarbeiter-Siedlungen.
Längst haben auch andere Städte und Regionen ihre eigenen Ampel-Hingu­cker. Die
Mainzer lieben die ZDF-Mainzelmännchen, Augsburg holte Kasperle aus der
Puppenkiste, in Ha­meln folgen Fußgänger dem Rattenfänger und in Bad Neuenahr
spielt Elvis Gitarre, er war dort als Soldat stationiert. In Emden, dem Geburtsort von
Otto Waalkes, durften seine Ottifanten keine Signale aussenden, weil § 43 keine Tiere
zu­lässt. Nun regelt der Komödiant selbst mit we­hendem Haar und Käppi den Verkehr
und mag sich. „Ich sehe so gut aus, dass die Leute auch stehen bleiben, wenn die
Ampel grün zeigt." Endlich würde es in der Innen­stadt nicht mehr so hektisch
zugehen.
Wien gibt sich weltoffen mit Ampel-Pärchen, zeigt Hand in Hand Mann und Frau,
Lesben, Schwule.
Die Väter aller Ampelfiguren waren natürlich Stoppi und Galoppo. So nann­ten die
DDR-Bürger die knuffigen Kerl­chen mit Knollennase und leicht molli­gem Körperbau,
die den Fall der Mauer fast nicht überlebt hätten, aber jetzt so­gar im Westen geliebt
und gebraucht werden.
Liebe Kathrin Hänig,
wussten Sie, dass seit 2014 eine Marler Ampel mit den Bürgern spricht, „Danke­schön,
gleich wird es grün", und irgend­wo in Asien eine Figur Hits singt, um den Passanten
die Wartezeit zu verkür­zen? Was uns natürlich auf die Idee bringen könnte, den roten
Bergmann das Steigerlied anstimmen zu lassen. Der Weg über die Straße könnte gar
nicht lang genug sein, so viel Spaß hät­ten wir.
Glück auf!
Hermann Beckfeld
Brief an Kathrin Hänig  (Ampel-Kumpel)
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